Anna Ternheim :: The Night Visitor
Die schwedische Songschreiberin findet in Nashville zu sich selbst.
Wirklich rührend, diese Geschichte um die Genese von „The Night Visitor“. Anna Ternheim allein und ausgelaugt in Brooklyn, der Muse lange vergeblich auf der Spur. Die alte Gibson, die da irgendwo gewartet und dann doch noch eine richtige Fingerpicking-Gitarristin aus ihr gemacht hat. Produzent Matt Sweeney, der sie erst zu einem Bert-Jansch-Konzert schleppt, dann samt Gitarre in den Proberaum und schließlich nach Nashville ins Studio von Dave Ferguson (Johnny Cash). Dort haben Musiker wie die Bluegrass-Größen Tim O’Brien (Geige) und Ronnie McCoury (Mandoline), der altgediente Trommel-Streichler Kenny Malone und mit dem 80-jährigen Cowboy Jack Clement sogar eine leibhaftige Legende natürlich nur auf diese Schwedin im Exil gewartet.
Anna Ternheim konnte natürlich nicht verhindern, dass sich in einer Stadt, die aus 1000 und einem Song zu bestehen scheint, auch jenseits wie von selbst schimmernder Studio-Patina Lokales einschleicht, hier in Form einer Leihgabe aus dem Repertoire des Mainstream-Traditionalisten Josh Turner. In „The Longer The Waiting The Sweeter The Kiss“ gibt Ternheim im Vorzeige-Duett mit Hausherr Ferguson die toughe Seefrau, die stoisch aus der Ferne grüßt und dabei doch gleich auf dem Schoß zu sitzen scheint.
Ihre eigenen Songs müssen sich dahinter nicht verstecken: der beherzte Country-Folk der emphatischen Charakterstudie „Lorelei-Marie“, der Fingerpicking-Waltz „What Remains“ mit dominanter Geige und Akkordeon, die hymnische Naturbeschwörung „Bow Your Head“. Und Stücke wie „God Don’t Know“, „Black Light Shines“ oder „Dearest Dear“ verströmen den anmutigen Charme ewiger Folk-Tunes, die schon Generationen gesummt, gepfiffen und geträumt haben.
„Walking Aimlessly“ heißt ein Song, der sich auch mal ein fortgeschrittenes Vocal-Arrangement traut. Doch wer „The Night Visitor“ hört und dazu noch die Fotos der heimeligen Studio-Idylle im Grünen betrachtet, der weiß: Ausnahmsweise ist selbst die rastlose Anna Ternheim mal angekommen. Vorübergehend zumindest. (Universal) Jörg Feyer
Beste Songs: „The Longer The Waiting The Sweeter The Kiss“, „Bow Your Head“
David Lynch ***¿
Crazy Clown Time
Ein surrealer Albtraum vom großen Regisseur – was sonst?
Genauso stellt man sich ein Album des Regisseurs von „Lost Highway“ und „Mullholland Drive“ vor: expressiv flackernde Songschatten, irrlichternde Klänge, bedrohlich taumelnde Beats, Texte wie Albträume. Wenn jetzt ein zwergwüchsiger Clown mit einer Axt ins Zimmer käme und anfinge, in einer völlig unverständlichen Sprache rückwärts zu reden – es wäre keine Überraschung.