Aphex Twin – Richard D. James LP :: Warp / RTD
Der Erfolg von Aphex Twin ist ein unwiderlegbares, weil faktisches Argument gegen die These, langfristiger Erfolg, also Markentreue der Musikhörer, sei nur durch Vorhersehbarkeit erreichbar. Die einzige Konstante im ziemlich üppigen Werk des Techno-, Ambient-, Electronic-Listening-Stars Richard James, dessen bekanntestes Pseudonym neben Aphex Twin Polygon Window ist, ist seine Unberechenbarkeit – und selbst auf die sollte man sich nicht unbedingt verlassen.
Auf „Richard James LP“ ist sich der 25jährige Engländer aber schon in quantitativer Hinsicht treu geblieben: Nach den endlosen Ambient-Alben „Selected Ambient Works“, der ebenso langen, bösartig lärmenden, „I Care Because You Do“ und der daraus ausgekoppelten Single „Ventolin“, die mit zwölf Remixen auch auf eine moderate LP-Überlänge kam, hat das neue Album gerade mal eine Laufzeit von einer halben Stunde. 32 Minuten, genau genommen. James selbst meint, dies sei genau die richtige Länge, denn erstens wolle und könne er selber sich ohnehin nicht länger auf eine Platte konzentrieren, und zweitens rufe spätestens nach 30 Minuten sowieso jemand an und störe. Sehr richtig!
Über mangelnde Masse wird sich dennoch wohl kaum jemand beschweren, denn James beweist sich einmal mehr als Meister der Verdichtung: Er legt ein überschnelles Drum-and-Bass-Schlagzeug über eine weiche Synthie-Melodie oder ein wunderschönes Streicher-Arrangement, erschafft auf seinen selbstgebauten Instrumenten (James studierte an einer Fachhochschule einige Semester Elektronik) recht bizarre Sounds, die er gleich darauf mit unvorhersehbar zuckenden Rhythmen zerhackt, und paart mäandernde Melodien mit polyrhythmischen Ausfällen zu musikalischen Wolpertingern. 32 Minuten lang. Und keine Minute vergeht ohne Überraschung.
Pop ist das alles natürlich nicht, tanzen kann man dazu auch nicht, und für E-Musik sind die Songs eben doch zu freundlich, eingängig und manchmal sogar überraschend romantisch – was wohl der Widmung der Platte zu verdanken ist: James gedenkt mit dem Album seinem toten Bruder, nach dem er selber benannt ist Hören werden diese Musik aus dem hintersten Winkel der akustischen Forschung also wohl wieder nur Leute mit Hirn zwischen den Ohren und dem Herzen am rechten Fleck. Aber davon gibt es zum Glück wesentlich mehr als allgemein behauptet wird.