Art Brut – Bang Bang Rock & Roll
Tja, mates, ist das der britische Humor oder einfach die Bauernschläue, die sich manche Leute aus britischen Bauernstädten bewahren, wenn sie nach London ziehen (denn keiner, keiner wird dort geboren)? Das ist Kunst, möglicherweise Kunscht, es sind keineswegs die Pischtolen von Brixton, sondern wenn überhaupt, dann die roschtigen Flinten von Mailand, die „Rusted Guns Of Milan“. Eddie Argos, aus der Bauernstadt Bournemouth, jetzt in London Sänger der Band Art Brut, meint damit sein Geschlechtsteil, das morgens um drei nimmer richtig funktioniert, und als schlauer Bournemouther weiß er, warum: Das kommt nicht vom Saufen, singt er der enttäuschten Frau zu – das liegt an seinen Gedanken.
Um kurz vorzugreifen: Die Rost-Flinten kommen ganz am Ende dieser absolut erstaunlichen, haltlos originellen, wie eine Kopfwäsche schäumenden Debüt-Platte noch einmal vor. in den Händen italienischer Bankräuber, die die Beute aus dem Euro zurückrechnen: „18000 Lira – sounds like a lot of money!“
Art Brut hatten letztes Jahr die erste Single, „Formed A Band“, ein geklopft-geloopter Sex Pistols-Gitarren-Donnergriff mit den großen, gegeiferten Worten: „Formed a band! We formed a band! Look at us! We formed a band!“ Ein Novelty-Hit. ein London-Spottlied aus Londoner Dung, ein hoch gewitzter Kommentar darüber, wie nahe Indietum und schwanziger Größenwahn heute beieinanderliegen. Rough Trade wollte sie hinterher nicht mehr, weil sie „zu albern“ seien, Rough Trades erster schwerer Fehler. Auf der zweiten Single erzählte Eddie Argos davon (wieder so schlau!), daß sein kleiner Bruder doch nur deshalb Rock’n’Roll hört, weil er sich wünscht, daß sich die Eltern endlich Sorgen um ihn machen. Und darüber, wie ihn moderne Kunst körperlich erregt. Angeblich die erste britische Top-50-Single, in der das Centre Pompidou erwähnt wird.
Auch wenn man hier kein Wort verstehen sollte, merkt man von der ersten bis zur 30. Minute, daß Art Brut uns zwar die Affen machen, aber unbändig viel sagen wollen, natürlich viel zu viel. Argos: der verrückte Parkwächter, der Jarvis Cocker mit Ameisen im Hemd. Die Band: The Clash nach einer Juckpulver-Attacke, die zwei Gitarren auf den Stereokanälen, als hätte man alle Television-Mitglieder in kleine Hamsterkäfige gesperrt. Empfindliche Menschen kann man hiermit in flammenden Wahnsinn treiben, aber wenigstens muß man Art Brut nicht erst live sehen, um diese heilige Übererregtheit zu spüren. Und die ganzen Geschichten: warum „Emily Kane“ mit 15 die beste Freundin war, obwohl (oder weil?) er nie Sex mit ihr hatte. Warum man am Wochenende üble Laune kriegt, wenn man immun gegen Popkultur ist, und warum man irre viel zu tun hat. wenn ein „brand new girlfriend“ auf den Plan tritt.
Schön, wenn sich andere lächerlich machen, damit man selbst schrecklich viel Spaß haben kann.