Aztec Camera

High Land Hard Rain

Eines der besten Debüt-Alben der Popgeschichte feiert Jubiläum: „High Land, Hard Rain“ von Roddy Frame alias Aztec Camera.

Weltbekannt sind die Schotten für ihre Melancholie zwar nicht. Viel zu lachen hat man in Glasgow aber auch nicht. Der Blick schweift übers Meer. Mieses Wetter, meist. Wind, peitschender Regen. Wer länger als eine Minute in den Himmel sieht, wird sehnsüchtig, das gilt für mindestens die Hälfte des Jahres.

Viele Glasgower Bands der frühen 1980er-Jahre setzen ihrer Heimat und dem Grau Pop mit Soul-Einflüssen entgegen, Latin, Bossa nova und Flamenco. Wie Orange Juice, Josef K und natürlich Roddy Frame alias Aztec Camera.

Als Frame „Walk Out To Winter“ schrieb, war er gerade einmal 17 Jahre alt, bei manchen anderen Liedern war er erst 15. „Despite what they’ll say, wasn’t youth, we hit the truth“: Er plant bei Spaziergängen mit der Geliebten, durch die Jahreszeiten hinweg, eine Zukunft. Aus seinen Worten sprach eine seltene Mischung aus Weisheit, ohne dabei altklug zu sein, und Begeisterung darüber, noch jung zu sein. Die Lyrik war damals schon so vereinfacht schön wie in „Stray“ von 1990 („Who needs the movie / You can see the music anyway“) oder „In Orbit“ von 2014 („Life’s strange / Things change“).

Youtube Placeholder

An dieser Stelle findest du Inhalte aus Youtube
Um mit Inhalten aus Sozialen Netzwerken zu interagieren oder diese darzustellen, brauchen wir deine Zustimmung.

Die Flamenco-Gitarre verhöhnte den Regen, im Video setzt Frame sich an den kalten schottischen Strand. Wind durchpflügt sein Gesicht, er spielt weiter. Wen kümmert das Wetter, bei solchen Melodien?

Und Frame schrieb einige der schönsten Pop-Melodien. „Oblivious“, „From Pillar To Post“, „We Could Send Letters“ … Dem „Matter“-Magazine sagte Frame damals: „Ich habe mehr mit Paul Simon gemeinsam als mit Bands wie The Birthday Party. Die Frage muss doch lauten: Sollen so viele Leute wie möglich Deine Musik hören, oder nicht. Ich würde lieber vor 100.000 Leuten spielen als vor 100. Simon and Garfunkel treten im Central Park auf und sind trotzdem keine Kompromisse eingegangen. Sie komponieren, was sie wollen. Zu solchen Musikern fühle ich mich hingezogen.“ Die meisten Teenager in seinem Alter, und vor allem in jenem Jahr 1983, waren um Abgrenzung bemüht, setzten auf Understatement, machten auf Indie. Frame wollte Pop, der alle erreicht. Was sowieso meist klüger ist.

https://www.youtube.com/watch?v=hg9frdyZ1TM

Als „High Land, Hard Rain“ im April 1983 erschien, war Frame 19. Fans und Kritiker sind sich einig, dass er mit dem Debüt seinen Meilenstein setzte. Er selbst sprach oft über die Schwierigkeit, bereits mit Albumveröffentlichung schon keine Lust mehr auf diese Lieder oder auf noch frühere Postcard-Singles wie „Mattress Of Wire“ gehabt zu haben. Die Songs hatten ihre Jahre schon auf dem Buckel, ihre Geschichten waren auserzählt, und er selbst konnte sie nicht mehr hören.

Roddy Frame galt als „Wunderkind“ der Musik, er wurde verglichen mit Stevie Wonder und Kate Bush. Nach „High Land, Hard Rain“ ließ er sich von Mark Knopfler produzieren, es entstand das Album „Knife“. Die Polituren nahmen dem jungen Gitarristen, der wie so viele andere „auf der Suche nach dem perfekten Pop-Song“ war, dann doch das Feuer. Es war weniger der Sound, es waren die Themen, die komisch wirkten. Nun sang er wirklich davon, die Nummer eins sein zu wollen, und die Lieder trugen selbstmotivierende Titel wie „Still On Fire“. Und das Titelstück dauerte neun Minuten, obwohl es dafür keinen Grund gab.

Youtube Placeholder

An dieser Stelle findest du Inhalte aus Youtube
Um mit Inhalten aus Sozialen Netzwerken zu interagieren oder diese darzustellen, brauchen wir deine Zustimmung.

Bei „Knife“ war er zwar auch erst 20. Aber in einem Alter, wo bei anderen die Weichen erst gestellt werden, kam Frame schon in eine erste Schieflage. Einige Alben, vor allem „Stray“ (1990) und „Dreamland“ (1993) waren gut, aber als Frame mit „Frestonia“ 1995 sein letztes Werk unter dem Namen Aztec Camera veröffentlichte, blieb der traurige Eindruck, dass das Wunderkind sich nie hat entfalten können. Er war erst 32.

Mit seinem Erstling hat Frame sich längst ausgesöhnt. Heute gibt es in Konzerten einen „High Land, Hard Rain“-Block mit mehreren Liedern. Auf die Frage, warum er mit „Lost Outside The Tunnel“ ausgerechnet eines der schönsten Stücke weggelassen hat, sagte er im Gespräch nach einem Konzert: „Es sind einfach zu viele gute Songs auf der Platte, als dass ich sie alle hätte bringen können.“

Dann sah er geradeaus, stutzte, vielleicht wegen seiner Analyse des Debüts. Der Blick leerte sich. Er schwieg. Dann fokussierte Frame sich wieder: „Doch, das kann man so sagen. Es sind einfach zu viele gute Songs auf der Platte.“