Barry Goldberg – Barry Goldberg
Wie die Lateiner schon wussten, „haben Bücher ihre Schicksale“. Das gilt für Platten bisweilen auch, vor allem und ganz besonders für diese 1973 von Bob Dylan unter dem Pseudonym Jack Frost produzierte Solo-LP seines Kumpels Barry Goldberg.
Eigentlich war der noch bei Columbia unter Vertrag gewesen, als er zusammen mit Dylan und einer All-Star-Besetzung geschätzter Gast bei den Sessions zu „Doug Sahm And Band“ seine Fähigkeiten in den Dienst an dieser guten Sache stellte. Sir Douglas war nämlich zu Atlantic gewechselt, weil er sich nach all den Mercury-Jahren von dieser Firma und den Co-Produzenten Arif Mardin und Jerry Wexler einen neuen Karriere-Schub erhoffte. Prompt verbandelte Dylan Goldberg auch mit Atlantic. Eigentlich wollte der sich, nachdem er gerade ein Dutzend neuer hervorragender Songs geschrieben hatte, bei der Firma RCA verdingen. Mit Ohrwürmern wie „It’s Not The Spotlight“ als Pfund, mit dem er wuchern könnte, sah er dort zuversichtlich seine Zukunft. Dylan überzeugte ihn, dass Atlantic die bessere Wahl sei und er die nächste LP unbedingt in den Farne Studios in Muscle Shoals mit den dortigen Cracks aufnehmen müsse. Er diente sich dem Kollegen auch als Back-up-Sänger an. Die beiden kannten sich schon seit dem legendären Auftritt in Newport 1965, also herrschte da neben viel Professionalität auch große Harmonie während der Aufnahmen.
Der nicht uneitle Starproduzent Jerry Wexler sollte alles auf Jahrzehnte hinaus ruinieren. Er – immerhin das Genie mit dem Ohr für ganz große Sangeskünstler wie Aretha Franklin an derselben Stelle – war der festen Überzeugung, Goldberg müsse die Gesangsspuren noch einmal komplett neu aufnehmen – in einem Studio in Miami. Und Wexler überzeugte ihn, genau das zu tun. Danach hasste Goldberg dieses Album für immer.
Da war bestenfalls noch ahnungsweise etwas von dem Flair der Originalaufnahmen geblieben. Derselbe Barry Goldberg, der durch Projekte mit Freunden wie Mike Bloomfield und Al Kooper (deren „Two Jews Blues“ nicht so gut ankam wie das Debüt der Electric Flag) und beseelte Songs wie „I’ve Got To Use My Imagination“ im selben Jahr 1973 Top 4 für Gladys Knight & The Pips in der Hitparade – reichlich Respekt bei Kollegen erworben hatte, empfand das bald als eine absurde Konzession.
Was man nachvollziehen kann, wenn man jetzt erstmals einen Ohrwurm wie „Minstrel Show“ im Original-Mix hören kann. Der klang übrigens schon sehr dylanesk. Das mit Gerry Goffin geschriebene „It’s Not The Spotlight“ war immer schon eine Vorlage, die Arrangeure wie Interpreten herausforderte, ihre besten Qualitäten aufzubieten. Goldberg bewältigte die locker so bravourös wie später Rod Stewart. Das mit viel gefühlvoller Dobro und Akustikgitarre musizierte „Dusty Country“ ist ein Klassiker in jenem Genre, das man viele Jahre später Americana nennen sollte. Von der Ballade „She’s Such A Lady“ würde man blindlings spekulieren, dass es sich um ein verschollenes Stück von The Band handeln könnte. Banjo und Fiedel sorgten bei Songs wie „Orange County Bus“ für das wunderbar altmodische Flair. Das mit Ehefrau Gail geschriebene „Shady Hotel“ ist ein Tex-Mex-Intermezzo von derselben Klasse wie jene Ausflüge, die Dylans letzte Platten zu den besten überhaupt machten.
Weil die Originalbänder Jahrzehnte später letzthin unbeschadet wiederentdeckt wurden, gibt es jetzt sogar Zugaben, nämlich die hier erstmals veröffentlichten Songs „Life’s Fantasy“ und „Soothe Me“ – und einen hidden track dazu. Wer Goldberg bislang vornehmlich als Session-Ass kannte, sollte sich dieses Vergnügen nicht entgehen lassen.