BEASTIE BOYS :: Hello Nasty

Es war wieder eine geheime Mission. Wie stets, wenn künstlich generierte Spannung auf dem Plan steht, wurde mit Produktverknappung dirigistisch der Zugriff verhindert. Das Album war vollendet, aber nur ausgewählte Fachkräfte durften es mal hören, und zwar in Lissabon, wo die Beastie Boys sich offenbar wohlfühlen und 2xi wenigen Interviews luden. Die deutsche Journalisten-Abordnung führte sich dort auf, wie sie sich immer auffuhrt: blamabel.

Den Beasties ist das Getue zu ernst, aber ohne sie gäbe es das Getue gar nicht. Vor zwölf Jahren begannen sie als Rüpel mit „Fight For Your Right Tb Party“ und dem Album „License To Ill“, eine Generation lernte, daß es Trash nicht nur im Metal gibt, und heute verkauft dieses Debüt in den USA ebenso stetig wie der ewige All-Knaller „Dark Side Of The Moon“. Nachgeborene haben auch das Recht auf Party – und außerdem: Die Beastie Boys wurden mit ihrem zweiten Album, „Paul’s Boutique „, plötzlich Avantgarde.

Die Welt war nicht daruf vorbereitet, als die Platte 1989 erschien. Run-DMC, Public Enemy und KRS-One hießen damals die Protagonisten des HipHop, und man war gerade dabei, die Ghettoblaster intellektuell aufzuarbeiten. Noch ohne den Terror der politkal correctness bildeten sich deutsche Hipster ein, sie müßten den Schwarzen in sich entdecken. Propagandistischer Grobianismus wie „It Takes A Nation Of Millions To Hold Us Back“ galt ab radical chic, die umgedrehte Baseball-Kappe trugen nun pickelige Bleichgesichter und angejahrte Pop-Schreiber.

Die Beasties schafften den Crossover für weiße Mittelstands-Kids: Hier rappte ihresgleichen, und „Paul’s Boutique“ ‚war ein Wühltisch, auf dem der Ramsch der späten Neunziger überraschend Wiederauferstehung feierte, ja überhaupt erst zur Kenntnis genommen wurde. Mit gesampeltem Gedöns und dem Geschwätz der Szene zwanglos zusammengeworfen, entfalteten die Raps ein neues sozio-kulturelles Milieu. Das „Pet Sounds‘ des HipHop“ erkannte ein amerikanischer Autor, das Placet war erteilt.

Trotzdem gab es keine Tournee. 1992 erschien „Check Your Head“uad erntete wiederum Lob; bei „Ill Communication“(1995) bemühten sich die Jünger um den Eindruck, bei den Beastie Boys handele es sich um die Philosophen unserer Zeit, die aber auch alles über den Kommunikations-Crash wüßten. Dabei hatten die Beasties wieder nur die richtige Parole. Ebenso zeitgemäß gründete Adam Yauch den „Milarepa Fund“ und organisierte Konzerte für Tibet; Applaus gab es reflexartig. „Lollapalooza“ mit Nirvana und den Smashing Pumpkins befestigte ihren Status: zugleich drinnen und draußen, Pop und HipHop, Establishment und Subversion. Sie sind Heilige Kühe geworden.

Die Kühe sind vom Eis: „Hello Nasty“, in ermüdenden Intervallen angekündigt, verschoben und vom Nebel des Gerüchts umwabert, verläßt das Preßwerk. Viel hörte man von Raffinesse, von Kultivierung und nie gehörten Sounds. Die Wahrheit ist natürlich profan: Die Beasties halten ihr Niveau, das Album erstaunt keinen Garbage-Hörer und bricht keine Grundfesten. Im Gegenteil ^ieüo Nasty“ ist Old School für Gemütskranke, Hedonisten und Leute, die meinungsstark immer vorn sind. Ein bestelltes Furiosum, mit dem sich die Beasties als mittlerweile Berufsjugendliche dem Ende ihrer Coolness entgegenstemmen.

Und zwar mit Hilfe des an Coolness nicht zu überbietetenden Lee „Scratch“ Perry, dessen Anthologie im letzten Jahr hysterische Schübe unter Plattenhökern auslöste. Der alte Kauz ist hier sowohl Objekt der Bewunderung ab auch Mittäter, wenn „Dr. Lee, PhD“ erklingt, eine Selbstbeweihräucherung im Riddim-Stil und bei weitem die größte Leistung auf diesem Album. Die Beasties danken Lee, und Lee erwähnt postwendend die Beasties. Eine schleppende, trötende und röchelnde Orgel-Messe, die der Weiße Mann unmöglich hinkriegt.

Überhaupt kommt stets Freude auf, wenn die Rapper schweigen. 22 Stücke, eher Trümmer ab Songs, erlauben ohnehin keinen Zusammenhang, aber das konfuse Scratch- und Matsch-Gelärme der Bande ist manchmal eher anstrengend ab inspiriert Man mag sich täuschen: Dreht man die Lautstärke über das gewohnte moderate Maß (also nahe dem Abschlag), gewinnt man plötzlich Vergnügen. Ein paar Joints dazu können nicht schaden. Machen die Beastie Boys auch so. Am schönsten wird es allerdings, wenn Mike D und die Jungs Jazz und Salsa adaptieren, Brooke Wiliams singt (oder niemand) oder Jane Scarpantoni das Cello spielt Das bt dann wohl der „Sound-Mix“, von dem man heute so gern spricht und der so wenigen gelingt (und so wenige interessiert).

Ansonsten, man sagt es ungern, überwiegt das Gefrickel, der Krawall, das Gegröle. „Body Movin'“ oder „Electrify“ überbrücken mühelos die Distanz vom ersten zum letzten Album. Im Gespräch waren drei disparate Beastie-Alben: ein konzeptionelles, das im Unterseeboot situiert und aufgenommen worden ist, ein Country-Album zu Ehren von Garth Brooks und ein „eher traditionelles“, nämlich JieUo Nasty“. Das klang lustig. Für den Humor der Beasties bezeichnend, bt leider nur Jieüo Nasty“ erschienen. Für mehr Witz reichte die Kraft nicht oder der Mut von Capitol oder die Phantasie.

Womöglich erscheinen die bedeutenderen Novelty-Platten längst auf dem Beastie-Label Grand RoyaL Die Väter der Klamotte haben sich Ruhe verdient: No sleep since Brooklyn. Sie sind die berühmteste Band, deren Lieder kein Mensch nachsingen kann (mit Ausnahme von „Fight For Your Right“, und da wird nicht gesungen). „Die Hölle friert ein“, posaunt der Waschzettel. Nicht wirklich.

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