Beastie Boys :: The Sound Of Science
Anthology: The Sounds Of Science; Anekdoten, Hits und Raritäten: Die Marx Brothers des Rap blicken zurück
Hier eine Analogie zur „Anthology“ der Beatles zu sehen, mag vermessen sein und platt, zumal unter diesem wohlklingenden Sammelschuber-Begriff vermehrt ein schwunghaftes Geschacher betrieben wird mit Liegengebuebenem und Unvollendetem. Dennoch kann man die Beasties als Enkel der Beatles begreifen, gerade weil die Three MCs und Fab Four nichts verbindet außer der Umstand, jeweils in ihrer Generation popkulturell nahezu einen Konsens geschaffen zu haben im musikalischen Fortschritt. Spätestens ihr drittes Album „Check Your Head“ hat jede Zuordnung und Zielgruppe gesprengt, können sich Punks, Anzugund Kappenträger seither auf die Rabauken einigen. Selbst von schwarzen Rappern werden die Beastie Boys respektiert. Und seit ihrem mildtätigen Kampf für Tibet ist ihre Subversion durch Schabernack nicht nur amtlich, auch politisch oberkorrekt.
„Fight For Your Right To Party“, ihr erster und größter Hit sowie dämlichster Song, ist die weiterhin unübertroffene Blaupause für Crossover aus Metal und Rap, Hedonismus und Gagamanie. Das Video dazu war eine burleske Persiflage auf die Klischees des Rock’n’Roll und zugleich dessen unbestrittene Bejaung im Geiste pubertärer Rebellion gegen die Spießgkeit der Eltern. Also das Beste, was der schlaffen Rockmusik Mitte der 80er Jahre passieren konnte, um wieder gefährlich zu wirken auf die weißen Mittelstandskids – auch wenn man nur neben halbnackten Mädchen auf der Polstergarnitur hüpfte, mit Budweiser spritzte und Sahnetorten warf. Aber das bleibt ja ohnehin übrig vom Rock’n‘ Roll, wenn man den verklärten, vermeintlichen politischen Aktionismus abzieht „Aaah to be young, drunk and stupid“, schwärmt Adam „Ad-Rock“ Horowitz nun in einer Notiz zu „Brass Monkey“, einem Song ihres Debüts „Licensed To Ill“. Und Adam „MCA“ Yauch resümiert: ,By drinking so much beer and acting like sexist macho jerks we actually became just that“ Vielleicht sind sie doch eher Kinder der Rolling Stones.
Da die Rotzlöffel ja auch schon eineinhalb Jahrzehnte durch das Showgeschäft poltern und dabei kaum gealtert zu sein scheinen, ist es ein konsequenter Gag, zwischen Jugendwahn und Gerontentum ihre Anthologie als Anthropologie zu illustrieren. Auf der Rückseite der Doppel-CD sind sie als Schulknaben zu sehen, auf dem Cover posieren die Berufsjugendlichen aus Brooklyn mit angeklebten weißen Bärten, als würden Jack Lemmon, Walter Matthau und Groucho Marx betagten Damen hinterher steigen. Der Song zur Travestie heißt „Boomin‘ Granny“, ein zotiger Reigen aus Old School-Bässen, Boygroup-Chor, einer Mariachi-Melodie und elektronischem Scharren.
„The Sounds Of Science“ heißt sinnig nun ihre erste Retrospektive. Der Titel ist einem Song ihres zweiten Albums „Paul’s Boutique“ entliehen, das gerne als legendär apostrophiert wird, weil es bei gleichbleibendem Nonsens die Zäsur der Beastie Boys von Rick Rubins rockenden Rap-Rüpeln zu kakophonischen Trümmerfahndern und Chaosforschern markierte. Die üppige Auslese mit 42 Songs umfasst das übliche Single-Sammelsurium, repräsentative Lieblingsstücke, die Live-Fassung von „Three MC’s And One DJ“, den discotauglichen „Body Movin'“-Remix von Fatboy Slim, B-Seiten-Kleinode wie „Skills To Pay The Bills“, frühe Maxi-Versionen wie „She’s On It“, rare Spleens mit bezeichnenden Titeln wie „Railroad Blues“ und „Country Mike’s Theme“ sowie unveröffentlichtes oder erst jetzt vollendetes Material. Wie stilsicher die Beastie Boys mit Lust am Lärm aus Ramsch und Referenzen, Orgel- und Gitarren-Gefrickel den Rap und Rock zu einem eruptiven Pop-Gemisch katalysiert haben, zeigen zudem zwei Beispiele aus den Anfangen und dem letzten Stand ihres Schaffens: „Beastie Boys“ von ihrer 82er EP „PollyWogStew“ ist als New Yorker Hardcore-Noise ebenso klassische Genrearbeit wie der Old-School-Style ihrer neuen Single „Alive“. Zwischen diesen beiden Koordinaten oszillieren die besten Songs ihres quirligen HipHop-Headbanging.
Prächtig ist auch das 78-seitige Booklet, in dem das Trio jeden Song mit Fotos und Linernotes anekdotisch aufarbeitet: Warum Mike D sich plötzlich für einen Country-Sänger mit eigener TV-Show hielt, wieso die Original-Version von „Jimmy James“ mit einem Sample von Hendrix‘ „Birthday“ nicht auf dem Album erscheinen konnte und weshalb der Rapper Biz Markie bei einem Auftritt der Beasties im Madison Square Garden eine köstlich schräge Cover-Version von Elton Johns „Benny And The Jets“ sang. All that stuff fits.
Und die Klangqualität? Ja, auch die ist gut.