Beck :: Morning Phase
Überraschung: Erst wollte er gar nicht mehr, nun liefert Beck das beste Album seit „Sea Change“ ab
Nein zum Durcheinander aus obskuren Sounds und Samples, zu Indie-Rock und zu elektronisch infizierter Schrulligkeit. Ja zu opulenten Harmonien, zur Emotionalität, zur Ernsthaftigkeit, zur Reduktion der Mittel, zur Klarheit des Stils, zu zart-psychedelischen, folkigen Songs, zu vom Morgenlicht durchfluteten Stimmungsbildern. Ein Album lang atmet Beck Hansen durch, reibt sich die Augen, blinzelt in die Sonne und fragt sich, was der neue Tag bringen wird.
„Morning Phase“ ist das Entschleunigungsmantra eines gereiften, abgeklärten Songwriters – und ein kleines Wunder. Hatte Beck sich mit seinem „Song Reader“ (2012) doch eigentlich als Interpret abgeschafft, das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit dadurch überlistet, dass er eine Platte veröffentlichte, ohne sie aufzunehmen: Die 20 Songs gibt es nur als Notenblätter, die alle künftigen Versionen gleichermaßen zu Originalen erklären. Noch vor einem Jahr bekundete er, vorerst kein weiteres Album machen zu wollen. Stattdessen hat er Singles wie „Gimme“, „Defriended“ oder „I Won’t Be Long“ veröffentlicht, die zwischen hibbeligem Elektro und knuffigem Indie-Pop so gar nichts gemein haben mit den größtenteils mit akustischen Instrumenten inszenierten und orchestral geschmückten Aufbruchs-Oden dieses neuen Albums, das es jetzt doch gibt. „I’m so tired of being alone/ These penitent walls are all I’ve known/ Songbird calling across the water/ Inside my silent asylum“, singt Beck in „Blue Moon“, das Schluss macht mit dem Stubenhockerblues.
Es geht raus in die Natur, in die Welt. „Morning Phase“ schreibt in Songs wie „Blackbird Chain“ oder „Turn Away“ die Byrds, Crosby, Stills, Nash & Young oder Simon & Garfunkel fort, erinnert in „Country Down“ gar an den frühen Bob Dylan, (v)erklärt den Morgen zum Augenblick größtmöglicher Klarheit. Die Platte ist voll betörender Erweckungsmomente, die lyrisch durchaus religiöse Konnotationen evozieren. „Morning“ schwärmt mit fast unerträglicher Sanftheit vom Neubeginn, vom Sich-selbst-Offenbaren und endet seufzend. In „Waking Light“ schwellen wie so oft auf dieser Platte Stimmen und Instrumente zu gedehnten Harmonien an, während „Heart Is A Drum“ von der Suche nach Geborgenheit berichtet, aber auch vom Streben danach, im Einklang mit der Welt zu leben: „Show me how to play it slow/ Just let it go“. Während die Gleichmütigkeit der Welterkundung von „Wave“ keinen Beat braucht und in sich selbst zu ruhen scheint, verabschiedet sich „Say Goodbye“ schlurfend, um auf Entdeckungsreise zu gehen.
Dieser Blick nach vorne ist natürlich dennoch eine Rückbesinnung. Schon auf dem Meisterwerk „Sea Change“ (2002) fand Beck ja einen ganz ähnlichen Ton. Und wie damals stammen auf „Morning Phase“ die feinen Orchesterarrangements von David Campbell, Becks Vater. Wer den unaufgeräumten Beck lieber mag, ist selbst schuld – und muss halt auf das nächste Album warten, das noch in diesem Jahr erscheinen soll. (Caroline/Universal)