Beyonce – I Am… Sasha Fierce
Wenn sie, wie auf der ersten CD dieses Doppelalbums, versucht, in sich hinein zu lauschen, dann klingt Beyonce so bemüht wie die zu allem bereiten Teilnehmerinnen der Superstar-Wettbewerbe, deren größtes Idol sie vermutlich ist. Als hätte der Erfolg der ehemaligen Chefsängerin von Destinys Child nicht mehr Unabhängigkeit gebracht, sondern vor allem einen größeren Druck. Ein ganzes Dutzend Produzenten sucht hier den kleinsten gemeinsamen Zielgruppen-Nenner, fahndet nach dem ultimativen Mainstream-Sound zwischen R&fB, Pop und Dance.
Im ersten Stück „If I Were A Boy“ beklagt Beyonce sanft und ein wenig traurig das mangelnde Einfühlungsvermögen der Männer: „If I were a boy, I think I could understand how it feels to love a girl/ I swear I’d be a better man.“ Das Wissen einer Frauenzeitschrift als Popsong. Man wartet schon darauf, dass Jon Bon Jovi die zweite Stimme übernimmt und ihr zeigt, wie sensibel Männer sein können, so sehr Power-Ballade ist dieses glitschige Stück Musik. „Broken-Hearted Girl“, einer der besseren Songs des Albums, klingt wie Liebeskummer unter Prozac. Die Protagonistin des Songs wird mit ihrem gebrochenen
Herzen selbstverständlich überleben und dabei nichts bereuen. Am Ende des Songs jubiliert Beyonce wie einst Whitney Houston, während sich das klebrige Arrangement zur Hymne steigert. Wie avantgardistisch und rasant klang dagegen das 1998 von Timbaland produzierte Destinys Child-Stück „Get On The Bus“! Ein innovativer Wirbelsturm, zu Recht schwärmte man damals von „den neuen Supremes“.
Auf der zweiten CD wird dann Beyonces Alter ego Sasha Fierce vorgestellt. Doch zuvor noch ein Satz zum angeblichen „Doppelalbum“: Die erste Disc läuft gut 24 Minuten, die zweite bringt es sogar nur auf magere 17 Minuten. Mit insgesamt elf Songs ist „I Am… Sasha Fierce“ also eher eine Doppel-EP.
Sasha Fierce ist im Vergleich zur damenhaft aufgerüschten Beyonce ein ziemlicher Feger. Im Booklet sieht man sie in Outfits, die man offenbar zu gleichen Teilen aus Aerobic-und Fetisch-Klamotten zusammengestellt hat. „Single Ladies (Put A Ring On It) eröffnet den kurzen Reigen, und auch hier geht es wieder darum, dass Frauen auch alleine klarkommen, obwohl es mit Ehemann halt doch schöner ist. Das Stück hüpft in der Disco sicher ganz nett, ist aber musikalisch doch eher Dutzendware. „Radio“ klingt so, wie es heißt und wo es hin will. In dem von Sean Garrett und Shondrae Crawford produzierten „Diva“ heißt es dann: „Diva is a female version of a hustla“, was natürlich völliger Quatsch ist. Immerhin wird hier dem HipHop-Fan einiges geboten – die Bässe sind opulent, die Beats klackern saftig.
Doch letztlich schielen auch die Club-Stücke der „Sasha Fierce“-CD zu sehr darauf, es jedem Recht zu machen. „I Am… Sasha Fierce“ ist damit so etwas wie die Album-Version von RTL: gut gemachte Unterhaltung ohne Ecken und Kanten.