Bill Janovitz – Lonesome Billy
Die schönsten Überraschungen kommen meist ganz unauffällig und schon gar nicht mit großer Vorankündigung. Post von einem fast vergessenen Freund zum Beispiel. Oder endlich Schnee am Heiligen Abend. Oder das &etterleuchten über dem Starnberger See. Oder eine vergriffene Platte im Secondhand-Laden.
Oder eben „Lonesome Billy“. Schneit einfach so herein, ohne Vorwarnung. Schon das Cover weckt Sympathien und hält, was es in seiner vergilbten Einfachheit verspricht Zehn munter-frische, Country-gefarbte Songs aus der geübten Hand des Bill Janovitz, hauptamtlich für die prägnanten Vocals und Songklassiker bei Buffalo Tom zuständig. Buffalo Tom, das war eine dieser College-Bands am Anfang der 90er Jahre, die mit dem Erfolg von Sonic Youth und Dinosaur Jr. zu großen Erwartungen berechtigte. Bereits damals war mindestens bei Konzerten zu registrieren, wie wenig die Band mit jenem Gitarren-Mahlstrom von Dinosaur Jr. gemein hatte und daß Janovitz ein in der Wolle gefärbter Folk-Sänger mit elektrischer Gitarre ist. Mehr Springsteen als Dylan allerdings. Dennoch überrascht die Gelassenheit seines ersten Solo-Werkes. Mag es womöglich eine Überbrückung bis zum nächsten Buffalo Tom Album sein, das Ergebnis einer gelungenen Wochenend-Session oder auch nur die Luftveränderung von Boston nach Tucson/ Arizona „Lonesome Bill“ besitzt die Aufrichtigkeit einer Zufallsbegegnung. Ein gelungener Schnappschuß.
Janovitz hat sich ein paar feine Freunde für seine Party ausgesucht: Neben John Convertino,Joey Burns (wunderbare zweite Stimme) und Howe Gelb von Giant Sand, finden sich auch Chris Toppin und Craig Schuchmacher, allesamt einschlägige Namen für wüstengeprüfte Einsamkeitstouren. In diesem Umfeld läßt sich Bill Janovitz zu beschwingten Harmonien hinreißen. Mit „Girl’s Club“ wird kräftig losgekleckert, dann einfache Sinnlichkeit wie bei „Think Of AU“ oder „Shoulder“, ein paar Gitarrenakkorde, etwas stimmungsvolle Pedal-Steel-Gitarre, auflockerndes Schlagzeug und sanfte Wünsche wie „Whisper me a lullabye for the sand over my eye…“. Herrliche Melancholie, einschließlich eines völlig betrunkenen Background-Männerchor versteckt sich hinter „Ghost In My Piano“. Ahnlich die muntere Ironie von „Stranger“, solche Quergesänge lassen sich kaum programmieren.
Natürlich viel Sentimentalität, tragische Gefühle und abgestürzte Existenzen, aber einwandfreie Musik, selbst ein obligatorisches Mann-Frau-Duett darf nicht fehlen. Einzig die Version von „My Funny Valentine“ hat zuviel Padios in der Stimme, aber stört in der Gesamdieit des Albums kaum. Würde mal sagen: Wenn die Chemie stimmt, kann kaum etwas schiefgehen.