Blood Brothers – Crimes
Wer zum ersten Mal diese Blood Brothers hört, kommt sich vor wie in einem Tollhaus: Die metallisch überdrehte Musik ändert alle paar Takte die Richtung und das Tempo. Doch es ist vor allem das hysterische Gekreische der beiden Sänger Johnny Whitney und Jordan Blilie, das fasziniert und/oder erschreckt. So klingen die bösartig mutierten Kinder, die man aus einschlägigen Horrorfilmen kennt, bevor sie die Axt herausholen und zur Sache kommen.
Ohne einmal Luft zu holen, schreien die beiden mit ihren quäkenden, überschnappenden Stimmen um die Wette: „Tve spend 22 years in this zoo of broken faces. Parents and school children watch me sit on this neon nest, naked. There’s a girl in a cage making love to a switchblade. There’s a man behind bars milking abandoned cars“, heißt es in „Trash Flavored Trash“. Aber jetzt bitte nicht glauben, diese Zeilen wären besonders surreal und abgedreht das geht die ganze Platte über so weiter: „The carnival’s glossy ghosts, zebra-painted horses parade, the cotton candy prostitutes, caramel apple corpses singing. Just the way to the neon orange gallows!“ fantasieren die Blutsbrüder zum Beispiel im irren „My First Kiss At The Public Execution“.
Die Freunde von Mr. Bungle, At The Drive-Inn und den frühen Butthole Surfers werden in Hände klatschen vor Freude über so viel kunstvollen Irrsinn. Die fünf jugendlichen Musiker aus Seattle sind sogar in der Lage, ihren komplexen Art-Trash auch noch ausgesprochen kompetent zu spielen. Im Unterschied zu dem von Ross Robinson produzierten Vorgänger „Burn Piano Island Burn“ geht es diesmal nicht ganz so heavy zur Sache, dafür ist der Sound transparenter und – das muss man sagen – konsumierbarer. Denn so großartig, fantasievoll und hemmungslos diese ungewöhnliche Rockmusik ist, sie plumpst geradewegs zwischen alle Stühle. „Burn Piano Island Burn“ wurde zwar mit Kritikerlob überschüttet, verkaufte aber trotzdem sehr bescheiden. Doch wer extrovertierten, wirklich originellen harten Rock schätzt, sollte „Crimes“ eine Chance geben: Mehr teenage angst und Rock’n‘ Roll-Hysterie wird man so schnell nicht finden.