Bob Dylan

Together Through Life

Col (Sony)

Schon knapp zwei Jahre nach Veröffentlichung von „Modern Times“, einem der erfolgreichsten Alben seiner Karriere, standen Bob Dylan und seine Band wieder im Studio, um den Nachfolger aufzunehmen. Sogar der Künstler selbst, in dessen Alterswerk Zeit bis dahin überhaupt keine Rolle gespielt hatte, zeigte sich überrascht ob der eigenen Produktivität.

Er wolle mit den Songs auf „Together Through Life“ kein neues Terrain erschließen, erklärte Dylan im Interview mit Bill Flanagan. Und tatsächlich scheint er in das Land, das er auf dem letzten Album vermessen hat, zurückzukehren. Wie der aus der Gesellschaft gefallene Geologe Valentin Sorger, Protagonist in Peter Handkes „Langsame Heimkehr“, war Dylan auf „Modern Times“ besessen gewesen von der Suche nach archetypischen Formen und fasziniert von Oberflächen, auf denen er die Geister der Vergangenheit tanzen ließ.

Auf „Together Through Life“ scheint er dieses Land nun neu zu besiedeln. Hier pulsiert und pocht, begehrt und spottet, weint und lacht stellenweise das pralle Leben. Auch wenn der Titel des ersten Songs etwas anderes behauptet: „Beyond Here Lies Nothing“. Ein herrlich geschmeidiger Bluesschieber, dem Trompete und Akkordeon Tiefe verleihen.

In Dylans Werk evoziert der Track am ehesten die Anarchie der „Basement Tapes“. Die historische Vorlage: „All Your Love (I Miss Loving)“ von Otis Rush. Chicago Blues also- der war schon auf „Modern Times“ Dylans liebste Inspirationsquelle (zuvor war es ja meist der Folk- und Country-Blues der 20er und 30er Jahre). „Beyond here lies nothin’/ But the mountains of the past“, raspelt er. Und der Aufstieg ist zunächst ein beschwerlicher.

Die countryeske Ballade „Life Is Hard“, die Dylan für Oliver Dahans Film „My Own Love Song“ schrieb, scheint fast auf der Stelle zu stehen, der Sänger reckt sich vergeblich in kaum erreichbare Höhen. Dann zieht David Hidalgos Akkordeon die Band in einen kargen, kantigen Chess-Sound. Muddy Waters‘ Aufnahme von Willie Dixons „I Just Want To Make Love To You“ klingt an, nur knarzt Dylan stattdessen „I just wanna say that hell’s my wife’s hometown“. Schöne Pointe natürlich, die Blues-Minne mit der Ehehölle zu überschreiben. Am Ende lacht auch der Sänger teuflisch.

„If You Ever Go To Houston“ eröffnet mit eingängigem Akkordeon-Motiv, das wie ein Fragment aus Springsteens „4th Of July, Asbury Park (Sandy)“ erscheint und in eine sechsminütige Endlosschleife einfädelt. Dylan torkelt dazu durch die Straßen der Erinnerung, auf der Suche nach seinem Mädchen. Ab und zu verläuft er sich- „I nearly got killed during the Mexican War“. Eine etwas starre, formelhafte Darbietung ist das. Der Song wird wohl- wie zuletzt „Cold Irons Bound“, „High Water“ oder „Thunder On The Mountain“- erst live zu wahrer Größe finden.

Das wehmütige „Forgetful Heart“ dagegen hat diese schon erreicht, erhebt sich majestätisch aus einem Backing, das an „Ain’t Talkin'“ erinnert. „Jolene“ und „Shake Shake Mama“ dagegen sind erschreckend schwache Stilübungen in Blues-Rock. Dazwischen allerdings erstrahlt der herrliche Tex-Mex von „This Dream Of You“ mit Fiddle, Akkordeon und Pedal Steel. Nur „Feel A Change Coming On“ ist noch schöner. „I’m looking the world over/ Looking far of into the Eeeast“, jauchzt Dylan da, und kurz denkt man, nun folge tatsächlich die lang ersehnte Rede zur Lage der Nation, doch stattdessen: „And I see my baby comin’/ She’s walkin‘ with the village beast.“

Ein Liebeslied also, und was für eins. Tänzelnd, flirrend, chaplinesk. Mike Campbells Gitarre, die sonst öfter wie ein Fremdkörper wirkt in diesen archaischen Songs, fügt sich ein, Benmont Tenchs Orgel wummert, und über allem schwebt Hidalgos Akkordeon­. Der Cajun-Boogie „It’s All Good“ kann dieses musikalische Niveau fast halten. Und da ist er dann doch noch, der Song zum state of the nation. Tongue in cheek allerdings. „You know what they say, they say it’s all good.“ Da muss selbst Dylan lachen. Schon zum zweiten Mal auf dieser Platte.

Ein an einigen Stellen etwas unfertiges, fast leichtes Album ist „Together Through Life“ geworden, ohne gewichtige Kompositionen – hier im wörtlichen Sinn als „Zusammensetzung“ zu lesen- wie zuletzt „Workingman’s Blues #2“, „Nettie Moore“ oder „Ain’t Talkin'“, dafür mit einer Sponaneität und Launigkeit, die schon auf „Love And Theft“ beglückte und einer Wärme, wie man sie so lange nicht mehr gehört hat bei Dylan. Er scheint sich wohl zu fühlen in diesem Land. Es war eine langsame Heimkehr.(Columbia/Sony)

Maik Brüggemeyer