Boston – Boston

Der Keller von Tom Scholz ist einer der unbesungenen auratischen Orte der Rockmusik. In dem sagenumwobenen Gemäuer hockte der Gitarrist, Absolvent des Massachusetts Institute Of Technology, sechs Jahre lang und träumte von einer Platte. Nur ein paar Freunde und der Sänger Brad Delp glaubten noch an den Traum von Boston. Schließlich meldeten sich gleich drei Labels, und Scholz lieferte. Die Band nahm in Los Angeles nur Delps „Let Me Take You Home Tonight“ auf, den Rest besorgte der Akademiker daheim. Delps flehentlich röhrender Gesang, später so typisch für amerikanischen MOR-Rock, wurde gedoppelt und vervierfacht, Scholz ließ seine Gitarre dudeln, die Erde war dein Feuerball, Raumschiffe mit der Stadt Boston in der Kuppel flogen durchs schwarze All, und das Universum sang „More Than A Feeling“. Von „Boston“ wurden 17 Millionen Exemplare verkauft.

David Wild, der bereits als Apologet von Neil Diamond in Erscheinung trat, verfasste hier souverän die „Fan’s Notes“, die ihn in seine Jugend und ins Jahr 1976 zurückführen. Nur zu gern erinnert er sich an die Koss-Kopfhörer, die er zur Bar Mitzvah geschenkt bekam und die ihm den Genuss des Boston-Albums schenkten. Mit einem kühnen Zeitsprung gelangt Wild ins Jahr 1991, als ihm Gary Gersh „Smells Like Teen Spirit“ vorspielte, der Autor sofort einen Hit erkannte und außerdem das Riff von „More Than A Feeling“, das Cobain bei Scholz entlehnt hatte. Glücklicher, wissender Wild!

Auf „Don’t Look Back“ (1978, 1,5) gibt es mehr vom selben Schlock, tirilierende Dudelsack-Gitarren, Monster-Riffs, Händeklatschen, unglaubliche Songs wie „Feelin‘ Satisfied“ und „Party“. Das Boston-Raumschiff landete jetzt zwischen Stalaktiten, aber irgendwie stimmten die Dimensionen nicht, das Ding passte gar nicht aufs Gras. Diesmal kauften nur und immerhin sieben Millionen, wie der Aufkleber auf dem Digipak verrät. Auch bei der zweiten Landung ist David Wild als Logbuch-Poet an Bord.

Leider waren keine weiteren Songs im Keller von Scholz zu finden, doch das Remastering ließ er sich nicht nehmen. Und. Ehrensache: Nosynthesizers used!

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