Brian Eno :: Small Craft On A Milk Sea
Er kann es noch: Ambient-Klang-Design und Schamanen-Tricks
„We’re always one step behind him, he’s Brian Eno, Brian Eno“, sangen MGMT auf ihrem Album „Congratulations“. Aber ist das wirklich so? Ist der legendäre Roxy-Paradiesvogel, der Erfinder von Ambient, der Produzent von Coldplay und U2, immer noch die Speerspitze der popmusikalischen Entwicklung? Die letzten beiden, eher song-orientierten Alben waren sicher nicht schlecht, aber andererseits auch kein Quantensprung für diese Ikone der elektronischen Musik.
„Small Craft On A Milk Sea“ erscheint bei dem legendären Elektronica Label Warp und ist ganz offensichtlich der Versuch, anzuknüpfen an die großen Ambient-Klassiker wie „Apollo“ oder „On Land“. Wie so oft arbeitet Eno auch hier mit vertrauten Kollaborateuren: Jon Hopkins war sein Partner beim Soundtrack zu Peter Jacksons „The Lovely Bones“; Leo Abrahams wirkte unter anderem als Co-Produzent bei „Everything That Happens Will Happen Today“, dem gemeinsamen Projekt mit David Byrne.
„Small Craft On A Milk Sea“ hat zwei Schwerpunkte: Da wären zum einen die lupenreinen Ambient-Tracks: Klangsansammlungen, die sich harmonisch in die Umgebung integrieren. „Emerald and Lime“, „Complex Heaven“ und der Titelsong eröffnen das Album in diesem Sinn – sich wie Blüten entfaltende Töne, warm, weich und wohlig wabernde Sounds, die eine Alliteration in der Beschreibung geradezu herausfordern. „Flint March“ ist dann ein starker Bruch. Hier wirbeln die Trommeln wie beim Album-Klassiker „My Life In The Bush Of Ghosts“, auch das folgende „Horse“ ist von ungezügelter Wildheit, während „Forms Of Anger“ erst düster und bedrohlich, später ausgesprochen aggressiv klingt.
Brian Eno schreibt in seinen Liner Notes, Filmmusik sei ein wichtiger Einfluss für das Album gewesen und die meisten Stücke seien aus Improvisationen heraus entstanden. Das lässt sich vor allem im rhythmisch-tribalistischen Mittelteil des Albums gut nachvollziehen, der sicher auch als Film-Soundtrack hervorragend funktioniert. Natürlich gab es auch diesmal im Studio wieder die üblichen Schamanen-Tricks: Akkorde wurden nach einem Zahlensystem ausgewählt und entsprechenden Takten zugeordnet. Na ja, „Feenstaub“ nennt man so was im Unterhaltungsgeschäft.
Mir gefallen die Ambient-Stücke am besten, auch wenn es sich dabei eher um Klang-Design handelt als um Musik im herkömmlichen Sinn. Aber an diesem Thema scheiden sich ja schon seit Jahrzehnten die Geister. Wenn Eno heute allen anderen einen Schritt voraus ist, dann vor allem wegen seiner Applikationen fürs iPhone wie das kuschelig bunte „Bloom“. Hier reagiert ein Künstler sehr direkt und adäquat auf neue Technologien. „Small Craft On A Milk Sea“ ist dagegen einfach nur ein großes Hörvergnügen: Ambient 2010. (Warp/Rough Trade)