Bruce Springsteen

Wrecking Ball

Sony VÖ: 02. März 2012

„Where’s the promise from sea to shining sea?“, fragt der Erzähler zu schwerem Stampfen und Glockenspiel. „We take care of our own.“ Kein Saxofon am Ende, nur ein Fade-out. Der Mann, der seinem Sohn 1984 in „My Hometown“ seine beinahe aufgegebene Stadt gezeigt hatte, kehrt heim: Es ist ein Abgesang, es ist „Wrecking Ball“. Schon die Single „We Take Care Of Our Own“ mit ihrer Rummelplatz-, auch Weihnachtshymnik illustriert die Doppelbedeutung des Begriffs: Ähnlich wie in Neil Youngs wunderbarem Song von 1989 weiß man nicht, ob es etwas zu betrauern oder zu feiern gibt. Oder vielmehr beides! Keine E Street Band; überall irisiert die Fiddle. Das Schlagzeug ist manchmal elektronisch, im Hintergrund tönt oft der Victorian Gospel Choir; Ron Aiello hat produziert. „Easy Money“, „Shackled And Drawn“: Irish-Folk-Schunkler. „Jack Of All Trades“ ist die typische Springsteen-Ballade nach Art von „Independence Day“ – aber mit Bläsern, die an einen Friedhofsmarsch erinnern: „If I had a gun/ I’d grab it and shoot the bastards on sight.“ Der Hans-Dampf-in-allen-Gassen: ein Sensenmann.

Mit Flöten und Pauken paradiert der Spielmannszug von „Death To My Hometown“; die Band ist losgelassen wie auf „The Seeger Sessions“: „Send the robber barons straight to hell“, rät der Sänger seinem Sohn, auf dem Schlachtfeld stehend, das die Heuschrecken abgegrast haben. Seit „Tom Joad“ haben wir Springsteen nicht so bitter gehört, so wütend womöglich noch nie – aber es ist beinahe eine Kapitulation, wenn der Volksheld zu düsteren Gitarren und ahnungsvollen Chören schwerfällig singt: „This is my confession/ I need your heart in this depression.“

Das Abschiedslied für das Meadowlands-Stadion, „Wrecking Ball“, stiftet hier die Metapher für den allgemeinen Niedergang. Wiederum dominieren die Bläser und das Schlagwerk; die Fiddle und die Bläser schwelgen. Es ist natürlich mehr als der Schwanengesang für einen Spielplatz, wenn Springsteen singt: „All our little victories and glories/ Have turned into parking lots.“ Den langen Weg von „Nebraska“ kommt samt akustischer Gitarre „You’ve Got It“, das sich zu einer Blues-Party mit Slide-Gitarre, Tröten und Klatschen aufschwingt. Elektronische Beats eröffnen „Rocky Ground“, Frauengesang  trägt den Refrain, dann übernehmen die düster getönten Bläser, jemand schreit, während eine Mutter ihr Zweifelsbekenntnis rappt und Springsteen „There‘s a new day coming“ singt. Könnte Kitsch sein, ist aber großartig.

Dann biegt Springsteen, angeführt von einem Gospel-Chor, in die letzte Kurve ein und singt „Land Of Hope And Dreams“, den Song, den er 1999 zur Reunion der E Street Band schrieb. „Just get on board …“ Am Schluss erklingt das letzte SaxofonSolo von Clarence Clemons – ein tearjerker, so sicher wie das Amen in der Kirche. Im munter hoppelnden „We Are Alive“ schließlich sprechen sogar die Toten.

Kein Album für Ungläubige.

Beste Songs: „Jack Of All Trades“,  „Rocky Ground“