BUDDY & THE HUDDLE – Music For A Still Undone Movie Maybe Called „Suttree“ :: CICLISMO/DA CAPO

Retorte heißt der Alpdruck, denk‘ ich an Music made in Germany in der Nacht. Hier und da lärmt es erquicklich, jedoch ohne Widerhall im Medienwald oder gar in der ominösen „Industrie“.

Auf jede knorrige Eiche (sagen wir: FSK), auf jeden wilden Efeu (sagen wir: Cuban Rebel Girls) kommt eine Möbelhauskette mit Schleiflackprodukten, die putzige Namen tragen wie „Nana“ (aus der Garnitur „Viva“) oder „Maffay“ (aus der Serie „Mallorca“), jetzt auch in „Zwergfichte natur“ lieferbar, ökogebeizt, mit dem lustigen Gratis-Comic „Peterle bei den Mohren“. Die Senilen im Lande wollen Siegel, die Debilen fordern Hörn. Dünnpfiff allüberall. Was bleibt, sind die Freuden der inneren Emigration. Und, ab und an, eine Platte, die das allgegenwärtige Gelumpe für eine Weile vergessen macht, die nicht nur aufhorchen läßt, sondern absorbiert, in ihren Bann zieht.

Buddy & The Huddle sind aus Bayern, heißen bürgerlich Roland Kopp und Michael Ströll und haben dieses Kunststück fertiggebracht, indem sie selbst emigrierten, innerlich zuerst, bei der Lektüre von Cormac McCarthys Roman „Suttree“, einem pittoresken Sittengemälde der Slums von Knoxville, Tennessee in den Fifties, und dann äußerlich, bei einer Expedition nach Knoxville, auf den Spuren der Romanhelden wandelnd, Einheimische befragend, Bilder und Klänge dokumentierend, Atmosphäre atmend.

Zurück zu Hause in Litzlohe bei Neumarkt, im Heimstudio, nahm dann langsam die Musik, die den beiden in den Köpfen herumspukte, konkrete Formen an, und es entstand in Kleinarbeit der Soundtrack zu einem imaginären Film. Literaturvertonung könnte man es nennen oder Audiofilm, gleichviel, es war ein Abenteuer für die Buddies und es ist eins für die Hörer. Trompeten und Flügelhorn, Dobro, Banjo, Vibraphon und ein Dutzend weiterer, teilweise exotischer Instrumente zaubern wundervolle Vignetten, tauchen die Songs und Klangmalereien in Südstaaten-Schwermut, bald filigran, bald krude, mal dissonant und fiebrig, dann wieder lähmend süß und lüstern saftig.

Reduktion ist dabei ebenso Stilmittel wie das Schwelgen in Harmonien. Folk, Blues, Country, Jazz und Swing: alles da, oft impressionistisch hingetupft, zuweilen sinnlich erfahrbar gemacht. Ry Cooders „Paris, Texas“ klingt an, Tom Waits und Jack Nitzsche lassen grüßen, aber nicht per Ansichtskarte, mehr im Geiste. Der Ideenfülle geschuldet und der nagenden Gewißheit, die Romanvorlage noch nicht annähernd ausgelotet zu haben, schoben die beiden deutschen Südstaatler bereits ein Sequel zu „Suttree“ nach, wie die erste LP absolut analog aufgenommen und ebenfalls nur auf (180g) Vinyl-LP zu haben: „More Music For…“

Die edlen Cover, matt mit laminiertem Photo, und die liebevollen Liner Notes machen diese Artefakte zu einem wahrhaft mehrdimensionalen Erlebnis, Anthithesen zur industriell geprägten Konfektionsware in Mediamärkten landauf, landab.

Zu beziehen sind die beiden Kunstwerke über Glitterhouse oder von Da Capo, Ludwigstr. 9, 90763 Fürth. Musik, die einen Film verdient und doch keinen braucht, ist sie doch schon cinematographisch. Empfehlen wir den Künstlern die Lektüre von John Kennedy Tooles „A Confederacy Of Dunces“ und einen Trip nach New Orleans…

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