Cargo

„Cargo“ kommt gleich auf dem Cover mit einem dieser Strichcode-Zettel, wie sie einem immer beim Einchecken am Flughafen an Koffergriffe und Rucksackgurte gepappt werden. „Cargo“ ist in diesem Fall das zusätzliche Gepäck, das sechs Comiczeichner mitgebracht haben, drei Israelis nach Besuchen in Berlin und drei Deutsche nach Besuchen in Tel Aviv und Umgebung. Das heißt, ihr zusätzliches Reisegepäck ist heavy, sicher manchem zu schwer, und doch ist es nur das, was sie gesehen und dann aufgezeichnet haben. Wunderbar und wild und vieldeutig, eben so wenig in den Griff zu bekommen wie es eben jeder Blick in eine andere Kultur einem immer wieder entgegenbrüllt. Stilistisch sehr unterschiedlich, wobei es verblüfft, wie stark der Einfluß Joe Saccos („Palästina“ und „War’s End: Profiles from Bosnia 1995-96“) auf Comic-Reporter offenbar ist. Vorteil der ICARGO l Kollektion ist die Vielfalt der Stimmen und Erzählweisen. Zugleich ist „Cargo. Comicreportagen Israel-Deutschland“ genau deshalb nicht wirklich homogen. Es zerrt und fleddert in mehrere Richtungen, kommt nicht rüber wie ein einheitliches Projekt. Das mag stören, es hat aber auch seinen Reiz, denn bei wiederholtem Blättern und Lesen entdeckt man immer wieder neue Bilder und Zeilen, an denen man dann auch immer wieder neu und anders andocken kann. Keine runde Sache, eine wilde aufregende pochende Flut an Bildern, Klängen und Dialekten. 3,5 „Schlaflos“ (Piper, 14 Euro) von M.j.Hyland, die Story eines vom Gleis geratenen Riot Grrrls, das als Austauschschülerin in die USA kommt und viel erlebt, tanzt, sich zudröhnt, kokst – und mit Gastfamilien solchen Trouble kriegt, daß sie in ein Heim für verhaltensauffällige Austauschschüler eingewiesen wird. Noch vor der Landung in Chicago flimmern im Flugzeug Aufnahmen aus einem Todestrakt über die TV-Bildschirme. Die schon hier angeschlagene, wunderschön magensaure, sarkastische Perspektive zieht sich durch den ganzen Roman. Maria Hyland, 1968 geboren und laut Klappentext „in schwierigen Verhältnissen“ als Tochter irischer Eltern in London aufgewachsen, versteht ihr Handwerk nahezu so perfekt, daß Action und Orgien manchmal fast zu kalkuliert erscheinen. Vergleiche der Ich-Erzählerin Lou Connor zu Holden Caulfields verzweifelter Suche nach echten Werten drängen sich auf, wobei Hyland in Sachen Exzess und Wut die Regler weiterdreht. Ein netter Dreh ist, daß die heute in Australien lebende Hyland das Land der begrenzten Unmöglichkeiten von außen betrachtet, daß sie wie beispielsweise DBC Pierres „Jesus von Texas“ bei ihrer Kritik zwar mit heftigem Kaliber rangeht, aber immer die Distanz des Fremden inne hat. Als kurzweilige Lektüre ideal für einen Flug, gerade für junge Austauschschülerinnen – oder besser nicht…(19,85 Euro)

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