Clockhammer – So Much For You
I’m losing a thousand days of the only time/ They fall like a flock of bones from a sallow sky/ It feels like the closing of this always-ending dream.“ Wer seine private Apokalypse derart poetisch konstatiert wie Byron Bailey, macht keine Zugeständnisse mehr. Im vergangenen Jahr debütierten der Schmerzenskünstler und seine Band Clockhammer mit „Klinefelter“, einem manischen Meisterwerk aus Trash und Jazz und vertrackten Melodien. Drei Jahre war Bailey zuvor in Tennessee mit den Liedern hausieren gegangen. Ein kleines Label erbarmte sich schließlich, aber sonst erkannte kaum jemand den Wert dieser Platte: Nach der Konvertierung des kreativsten Potentials im Underground zum besseren Mainstream gab „Klinefelter“ das Konzept einer neuen amerikanischen Rockmusik vor.
Die existentielle Tortur und Baileys stoische Experimente zerrütteten die Band. Unbeirrt hat Bailey nun mit neuen Musikern einen weiteren Geniestreich geschaffen. „So Much For You“ enthält erschütternde Seelendramen neben erstaunlichem Songwriting. Weniger radikal, dafür ebenso raffiniert wie auf „Klinefelter“ ist Bailey die Verträglichkeit von Noise und Nuancierung, Metal und Melodie gelungen. Obwohl stets von gewagten Wechseln von Tempo und Rhythmus gebrochen, bleiben die Arrangements in sich geschlossen und geschmeidig. Hier sitzt jeder Ton. Manchmal stimmt Bailey südamerikanische Folklore an, fügt er Facetten aus Folk, Country und Jazz, Mandoline und Akustikgitarre zwischen zähen Malstrom oder gehetzte Brachialität. Für diese Platte braucht man eine Partitur.
Bands wie Metallica, aber auch seine Freunde von flREHOSE müssen Baileys Brillanz furchten, wenn er düstere Death-Metal-Gitarren in sanftes, sphärisches Gezupfe auflöst. „Tipping The Balance“ heißt bezeichnend ein Song. „Long walks in the daylight, we spied on the living/ Waves crash into silence, leaving introspective Stares“, singt Bailey darin mit lebensmüder Lakonie. So überträgt er traumatische Gefühlswirrnisse und wilde Melancholie in kongeniale Kompositionen. Himmel und Hölle, Schweinerock und Schönklang, Liebesschwur und Zerstörungsakt fallen in eins. „So Much For You“ handelt von Lebensangst und Liebesleid, Einsamkeit und Enttäuschungen. In seiner Lyrik ist es meistens zu spät; hell wird es selten. Byron Bailey wehrt sich mit Poesie und Philosophie gegen den Untergang. Er brüllt, säuselt, seufzt – aber er jammert nicht. „Monologue is conversation“, zieht er sich in „Tangled“ bittersüß zurück, dem schönsten und schlichtesten Pop-Song der Platte. Die Melodien rasen. „Life consumes life at every turn, the rest is silence.“
Was bleibt? „All to ash, all to dust“ – und die ergreifendste Seelenmusik des Jahres.