CocoRosie :: Grey Oceans
Die seltsamen Schwestern lassen viele Stile traumverloren ineinander fließen.
Eigentlich ist jedes Album von Bianca „Coco“ und Sierra „Rosie“ Casady eine Überraschung. Eine ausgebildete Opernsängerin und ein quengeliges Hippiemädchen, die auch noch Schwestern sein sollen und mit Kinderspielzeug, Samples, Klavier und Harfe kindlich-technoide Popsongs spielen – das klang zu ihrem ersten Album „La Maison De Mon Reve“ von 2004 noch nach einem Novelty-Projekt. Doch auf den nächsten beiden Alben zeigten CocoRosie, wie sich diese Formel variieren und erweitern ließ. Dunkler Folkmystizismus und Hip-Hop, Mittelalter-Klänge und human beat box sorgten für neue Akzente. Die im Eigenverlag erschienene „Coconuts, Plenty Of Junk Food“-EP, die 2009 ausschließlich auf Konzerten verkauft wurde, ließ dann allerdings gewisse Ermüdungserscheinungen erkennen.
Doch während der langen Tour arbeiteten CocoRosie bereits in Studios auf der ganzen Welt an der nächsten Verformung ihres Sounds. Bei den ersten Sessions zum neuen Album in Buenos Aires wurde der Jazzpianist Gael Rakotondrabe zum dritten Bandmitglied. Er öffnete mit seinen Improvisationen den CocoRosie-Sound für neue Einflüsse und Ideen.
„Grey Oceans“ beginnt wieder mit diesem krächzenden Geräusch, das mittlerweile eine Art Erkennungszeichen des Duos geworden ist. Bianca Casady entlockt es einem Spielzeugroboter. Doch dahinter warten dieses Mal nicht die Regenbogenkrieger des letzten Albums „The Adventures of Ghosthorse and Stillborn“, sondern ein in bedrohliches Dunkel getauchtes Meer aus Sounds. Sierra zupft die Harfe und klagt mit geisterhafter Stimme, ein simples, diesiges Keyboard-Motiv setzt ein, ein Klavier perlt. Dann sprechsingt Bianca, umgarnt von ihrer Schwester und arabischen Klängen von in Einsamkeit gekleideten Hotelnächten. Ein Kinderlied wird von mächtigen Trip-Hop-Beats bedroht. Antony & The Johnsons und die Cocteau Twins, Weltmusik, Kunstlied und Elektronik gehen Verbindungen ein. Die Stile fließen traumverloren ineinander, statt sich in alter Manier wie grellbunte Fingerfarbkleckse zu überlagern. „Grey Oceans“ist düster, nachdenklich, atmosphärisch dicht. Man könnte sagen, CocoRosie sind erwachsen geworden. Hätte man vor sechs Jahren auch nicht für möglich gehalten.