Das Haus :: von Mark Z. Danielweski

Nichts ist, wie es scheint. Neurologen wissen: Multitasking geht nicht. Und Literateure „wissen“, dass Leser nur Boy meets Girl wollen, von vorn nach hinten erzählt. Mark Z. Danielewski ist das egal. Seine Romane sind von vorne und von hinten lesbar, mitsamt Paralleltexten zu den von beiden Buch-Enden aufeinander zu erzählenden Strängen, sie explodieren vor Anmerkungen und Fußnoten von in Spiegelschrift gese tzten Wegweisern für den von Figuren verschluckten Erzähler. „Das Haus“, Sensationsroman von 2007, wurde und wird nie verfilmt. Nun liegt er auf DVD vor, verpackt in ein Moleskine-Notizbuch, und ist ein Audiobook. Die drei Erzählstränge kann man separat hören. Man kann die verschachtelten Narrative drehen wie einen Rubik-Würfel, und man kann in Filmchen sehen, wie das vom WDR aufgenommen wurde. Klingt gut, anders als bei dem Buch ist aber die Idee besser als die tatsächliche Umsetzung. Original hat der WDR die drei Erzählstränge auf drei Frequenzen simultan gesendet. Alle drei gleichzeitig hören ist natürlich weder auf der DVD noch im Radio möglich. Leider. (Audio Verlag, 29,99 Euro) Matthias Penzel

Tschick ****¿

von Wolfgang Herrndorf

Maik Klingenberg, der die achte Klasse eines Gymnasiums in Berlin-Marzahn besucht, weiß selbst, dass er ein großer Langweiler ist. Die Mädchen schauen ihn nicht an, die während des Unterrichts kursierenden Zettelchen mit geheimen Botschaften sind nie an ihn adressiert – und zur Party seiner großen Liebe Tatjana zu Beginn der großen Ferien wird er auch nicht eingeladen. Er ist ein Außenseiter – so wie der Neue in der Klasse, ein ziemlich schlauer russischer Junge namens Andrej „Tschick“ Tschichatschow, der stets betrunken zum Unterricht erscheint. Als Tschick eines Tages mit einem geklauten Lada vor Maiks Haustür auftaucht, sieht der seine Chance, aus der Langeweile auszubrechen, und eine wilde Odyssee durch den Osten Deutschlands beginnt.

Einen „Jugendroman“ nannte der Zeichner und Autor Wolfgang Herrndorf dieses Buch lakonisch in seinem Internet-Blog, in dem er von seiner Hirntumor-OP, seiner Todesangst und nicht zuletzt seiner Liebe zu J. D. Salinger berichtete. Doch „Tschick“ ist so viel mehr – ist ein melancholischer Blick zurück auf die Freiheit der Jugend, eine Liebeserklärung an das Leben und die Freundschaft. Herrndorf findet genau die richtige – seinem Idol Salinger nicht unähnliche – Mischung aus jugendlicher Schnoddrigkeit und genauer Beobachtung, Slang und Poesie. Man sieht die Welt mit anderen Augen nach diesem Buch. (rowohlt, 16,95 Euro) maik brüggemeyer

Ich habe einen Traum **¿

von Michel Houellebecq

Nach dem eher enttäuschenden Schlagabtausch mit Schlauberger Bernard-Henri Lévy, der hierzulande unter dem Titel „Volksfeinde“ erschien, darf sich die deutschsprachige Fangemeinde Michel Houellebecqs die Wartezeit auf seinen neuen Roman „La carte et le territoire“ nun mit einem schmalen Bändchen mit Aufsätzen und Interviews verkürzen. Die Freude darüber, dass sich der scharfsinnige und streitbare Gesellschaftskritiker endlich wieder zu Wort meldet, hält allerdings nur kurz an. Viele der in „Ich habe einen Traum“ versammelten Mini-Essays und Gespräche kreisen um Interna der französischen Kulturschickeria, weswegen sie durch allerhand Fußnoten mühsam kommentiert werden müssen. Zudem liegt die Entstehungszeit manch eines Beitrags so lange zurück, dass sich der Leser unumwunden fragt, warum er ausgerechnet jetzt, mit über achtjähriger Verspätung, beispielsweise Houellebecqs Stellungnahme zu polemischen Äußerungen gegenüber dem Islam zur Kenntnis nehmen soll. Haben wir von dieser Debatte, die in Deutschland längst von anderen, nicht unbedingt klügeren Köpfen fortgesetzt wird, nicht allmählich genug? Ungleich schöner ist es dagegen zu lesen, wie der verkappte Romantiker Houellebecq der Musik von Neil Young für das „Dictionnaire du rock“ ein literarisches Denkmal setzt: „In Leid und Zweifel hat er mich oft begleitet. Ich weiß jetzt, dass die Zeit uns nichts anhaben kann.“ Tief im Inneren glaub der misanthropische Provokateur eben doch noch daran: „It’s gonna take a lotta love to change the way things are.“ (dumont, 17,95 Euro) Alexander Müller

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