Dawes

Passwords

Jackson Brownes einzig legitime Nachfolger holen Jonathan Wilson zurück und packen ihre blutenden Herzen in Watte

Aggressionen, Paranoia, Irrsinn, Angst: Na, das geht ja schon mal gut los. Zu tonnenschweren Riffs singt Taylor Goldsmith in „Living In The Future“ von unserer Gegenwart, schwingt sich im Chorus dann aber doch zu ein bisschen Zuversicht auf: „Shine a little light/ It may not make it any better/ I’m just hoping that it might.“ Den schmalen Weg zwischen Verzweiflung und Hoffnung sind die Dawes schon immer besonders elegant entlanggegangen, das gelingt auch auf „Passwords“.

Ihr sechstes Album hat – wie die ersten beiden – Jonathan Wilson produziert, und seine Hippie-Spinnereien ergänzen sich wunderbar mit den fokussierteren Ideen der Kalifornier. Wilson gab der Band die Freiheit, die sie braucht. Er stellte sie einfach zusammen ins Studio, dreieinhalb Wochen, und nahm alles live auf – ohne endloses Rumwerkeln und Zusammenschustern. Musikalisch macht den vieren ja sowieso niemand etwas vor, sie spielen den virtuosesten, zauberhaftesten Westcoast-Folkrock, den es zurzeit gibt (bis Jackson ­Browne sich doch noch mal zu einem großen Album aufrafft).

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Milde Melodien und eingängige Zeilen scheint Goldsmith (bei drei Stücken mithilfe von Jason Boesel) traumhaft leicht aus dem Ärmel zu schütteln. Seine Lieder haben immer etwas Abgeklärtes, so auch die schwelgerische Ballade „Crack The Case“, in der er seinen Feinden ins Auge sehen will und einer Freundin beistehen, die gerade ihren miesen Ehemann rauswirft. Was kann uns helfen, wenn alles verloren scheint? Goldsmith setzt auf Vergebung: „It’s really hard to hate anyone/ When you know what they’ve lived through.“ Mit sich selbst geht er allerdings in „Feed The Fire“ ziemlich hart ins Gericht – schon scheußlich, wie eitel und ehrgeizig Rockstars sind! Gut, dass die entspannte Melodie so einlullend ist, sonst müsste man sich ernsthaft Sorgen machen. Aber genau das macht die Dawes ja so besonders: Sie können die härtesten Inhalte so zart verpacken, dass sie kaum noch weh tun. So ähnlich muss es Alice Cooper gegangen sein, als er sich mal aus Versehen ein Schwert ins Bein rammte, das aber gar nicht spürte, weil er so viele Schmerzmittel intus hatte. Nur lief dann halt so viel Blut auf die Bühne.

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Den Dawes blutet das Herz, wenn sie von verpassten Chancen und verlorenen Freunden singen, aber sie können auch Liebeslieder, die alles wieder gut machen – „I Can’t Love“ ist so eins (der Satz geht weiter mit „you any more than I do right now“), „Never Gonna Say Goodbye“ ein weiteres. Und am Ende stellt Goldsmith in „Time Flies Either Way“ zwischen Chemtrails und Ufos und anderen Phänomenen unserer verrückten Zeit fest, dass er seinen Eifer loslassen muss, weil die Zukunft sich nicht drängeln lässt (und die Liebe sowieso wichtiger ist als alles andere). Ein interessanter Gedanke von einem Mann, der in neun Jahren sechs Alben geschrieben hat. Hoffentlich entspannt er sich jetzt nicht zu sehr. (Hub/ADA Warner)