Depeche Mode

Exciter

Mute (EMI)

Melodie und Leichtigkeit zu bemühter Electro-Geräuschkulisse

Aus dem ROLLING-STONE-Archiv, April 2001:

Es beginnt otherwordly. „Can you feel a little love?“, raunt es gespenstisch. Die „X-Files“ lügen nicht, Mutanten sind unter uns. „As your bony fingers close around me“, versinkt Dave Gahan in seinem Albtraum, zum stoischen Riff einer Akustik-Gitarre und rhythmischer Elektro-Statik nach Bristol-Art. Das berüchtigte Knistern, Sie wissen schon, das inzwischen etwas albern klingt und abgedroschen, hier jedoch die Dramaturgie stützt. „Death becomes me“, dräut Gahan und „pain is ready, pain is waiting.

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Alles wie gehabt? Noch ein Höllentrip ins „Zillo“-Land, mehr klotziger Baukastenlärm und Dampfstrahl-Getöse aus malochenden Synthesizern? Nein. „Dream On“, so heißt der Opener, streift das Gruftige nur, wirft Schatten an die Wand, um sich sogleich zum Licht zu recken, mittels eines sublimen Refrains und einem unverschämt hübschen A-capella-Exkurs. Die reine Pop-Dialektik, die schon Gene Vincent beherrschte, die bei Depeche Mode jedoch lange verschüttet war.

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Am besten verfängt das kluge Konterkarieren auf „The Sweetest Condition“, einem Steel-Guitar-getragenen, psychedelischen Blues-Shuffle von beachtlicher Intensität. „It’s a sad disease creeping through my mind“, diagnostiziert Gahan, und der Steeler transzendiert die Beklemmung mit wonniglich-schaurigem Wabern. Hätten 16 Horsepower Pop-Verstand und mehr Sinn für melodische Finessen: So könnten sie klingen. Brillant.

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Was leider nicht für alle Cuts gilt. Zu oft lassen die Herren Gahan, Gore und Fletcher ihre Maschinen mellotronig schwellen, ohne ihnen dafür ein stabiles Song-Gerüst zu bauen, zu oft setzen sie auf bloße Soundmalerei. Der Anfang des eh ziemlich plump und protzig geratenen „Dead Of Night“ ist infantil: 20 Sekunden Synth-Brummen wie von einem Motor, dessen Drehzahl beschleunigt wird. Lachhaft.

Gut gelungen indes ist Produzent Mark Bell generell die Gratwanderung zwischen dem herkömmlichen Synth-Pop der Band und neueren, hipperen Codes aus den Cyberlaboren. Nur auf dem ohnehin banalen „Freelove“ rutscht Bell voll ins Klischee, indem er seinen teuren E-Gadgets zuerst unmotiviert allerlei drollige Geräusche entlockt, um unvermittelt eine Liebesballade dranzuhängen.

Umso so beeindruckender sind das an Bowie und den späten Scott Walker gemahnende, von Martin Gore gesungene „Comatose“, und das überraschend Doo-Wop-infbrmierte, melodieselige und versöhnliche „Goodnight Lovers“.