Der Blechtrommler – Volker Schlöndorff fürchtet um das deutsche Kino – das hängt am TV-Tropf
Jede Wahrheit braucht einen Mutigen, der sie ausspricht, muss Schlöndorff sich wohl gedacht haben. Immerhin geht es um die Rettung der Kunst, des Kinos, seines Berufsstandes. In einem Artikel für die „Süddeutsche“ kritisierte der Regisseur den „Verschnitt“ von Film und Fernsehen, dass Kinoproduktionen anschließend zu TV-Mehrteilern umgeschnitten würden, und beklagte, es könne deshalb „nicht mehr mit der für einen Spielfilm erforderlichen Sorgfalt gedreht werden“. Knapp eine Woche später entzog ihm die Constantin die Regie für die Roman-Adaption „Die Päpstin“, die ebenfalls nach dem Kinostart als Zweiteiler vorgesehen war. Seine Äußerungen würden dem Film sehr schaden.
Zwar hat Schlöndorff „Die Päpstin“ in seinem Text nicht erwähnt. Zwischen den Zeilen aber kann man spüren, dass er durchaus die eigenen Umstände meinte, der Beitrag nur ein anderes Forum war für Diskussionen, die er über Finanzierung und Auswertung mit den Produzenten geführt haben muss. Zudem sind seine Beispiele wie „Der Untergang“ oder der geplante Film „Der Baader Meinhof Komplex“ alles Projekte von Constantin. Was auch immer Schlöndorff bezweckt hat: Der alte Mann ist unter die Manager geraten, die weniger mit dem Regisseur, sondern mehr für die Rendite arbeiten.
Nun taugt Schlöndorff nicht gerade zum Märtyrer. Sein letzter Film „Strajk“ sah aus wie das Kleine Fernsehspiel, und „Die Blechtrommel“ war 1979 auch eher sein einzig guter. Dennoch zeigt der bizarre Disput, in dem die Constantin den flexibleren „Untergang“-Regisseur Oliver Hirschbiegel („Die TV-Fassung ist quasi mein Director’s Cut, das verdanke ich der ARD“) als Kronzeugen gegen Schlöndorff in Stellung brachte, woran der deutsche Film grundsätzlich leidet. Es ist eine alte Wahrheit: Das Kino hängt hierzulande schon lange am Tropf der Sendeanstalten. „Das Leben der Anderen“ wurde vom Bayerischen Rundfunk alimentiert, dem Florian Henckel von Donnersmarck sogar in seiner Oscar-Rede dankte. Fatih Akins Cannes-Beitrag „Auf der anderen Seite“ entstand mit Geld des NDR. Zugleich bedient sich das Fernsehen ausgiebig bei Mitteln der Filmförderung. Deren teure Eigenproduktionen sind mittlerweile eine größere Konkurrenz für das deutsche Kino als viele Hollywoodfilme. Es kostet nix, und man kann notfalls wegzappen.
Meistens jedoch haben sie hohe Einschaltquoten wie „Die Flucht“ (ARD), .Dresden“ (ZDF) oder „Die Sturmflut“ (RTL) Themen, die das Kino ebenso versäumt zu besetzen wie viele Genres. Der deutsche Film ist entweder bierernst und erfolglos oder saublöd und erfolgreich. Christian Petzolds „Yella“ (Start: 13.9.) ist eine dürre, anämische Frauengeschichte, die im Nachtprogramm des Mitfinanziers ZDF noch mehr Zuschauer haben wird als im Kino. Und auch der Martin-Walser-Komödie „Ein fliehendes Pferd“ (Start: 20.9.) von Rainer Kaufmann wird es kaum anders ergehen. Das deutsche Kino findet keine Identität zwischen Kunst und Kommerz. Da ist Bernd Eichinger. der Lieblingsfeind des Feuilletons, längst weiter.
Wie schizophren und selbstgerecht die Situation der Branche ist, zeigte auch die diesjährige Vergabe des Deutschen Filmpreises. Etliche Schauspieler und Filmemacher hatten aus Protest die Filmakademie verlassen, weil statt einer Jury alle Mitglieder die Lolas auswählen. „Da haben es radikale, künstlerisch innovative Filme extrem schwer“, meinte Hans Weingartner. Es gewann das kleine Knastdrama „Vier Minuten“ statt Eichingers Favorit „Das Parfüm“. Der Untergang ist ausgeblieben.