Der Mensch lässt nach :: Deutsches Theater: Miniaturen und dialektische Denkstücke

Schorsch Kamerun ist der bestangezogene Musiker, den wir im deutschen Diskurspop besitzen – bei den Konzerten seiner Stammgruppe Die Goldenen Zitronen pflegt er die Bühne beispielsweise in gülden bestickten Brokatmänteln zu betreten. Wie kaum ein anderer Musiker versteht er es zudem, politisch engagiertes Liedgut einerseits mit dem Zweifel an der Wirkmacht des gesungenen Worts zu versehen, ohne andererseits über diesem Zweifel zynisch oder – noch schlimmer – ironisch zu werden.

Das ist auch auf „Der Mensch lässt nach“ wieder so. Auf diesem Album versammelt er musikalische Miniaturen und dialektische Denkstücke, die für städtische Schauspielhäuser entstanden sind. In Stücken wie „Unabhängigkeit ist keine Lösung“ beschäftigt Kamerun sich gleichermaßen mit der weitgehenden Verblödung der ihn umgebenden Welt wie mit der Unmöglichkeit, sich als Künstler und Mensch insoweit über ebendiese Welt zu erheben, dass man deren Verblödung in objektiver, also nicht-verblödeter Weise beschreiben kann.

Es gibt kein kluges Leben im doofen! So könnte man die Quintessenz der 14 Lieder beschreiben. Dazu pupsen Theatertuben und andere Blechblasinstrumente, in Klaviere werden zornige Blockakkorde gehauen. In dem Lied „Übereigendarstellerei“ bittet Schorsch Kamerun den Scooter-Sänger H.P. Baxxter darum, von seinen hochkulturellen Versuchen als Thomas-Bernhard-Rezitator Abstand zu nehmen und sich auf das zu konzentrieren, was er am besten kann, nämlich Scooter-Lieder zu singen. Natürlich weiß Kamerun, dass man dieses Argument auch gegen seine Hochkulturausflüge als Theaterregisseur anwenden kann. Aber wie heißt es abschließend so schön in dem Stück „Drohne“? „Ich will mir selber nicht Krise sein!“ (Buback) Jens Balzer

Big Boi

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