Der schaudernde Fächer :: Ann Cotten

„Bei mir dehnt sich der Moment“, heißt es im ersten Erzählband der bisher vor allem als Lyrikerin in Erscheinung getretenen jungen Österreicherin Ann Cotten. Gedankenblitze gerieren zu Geschichten, ein Kuss, eine Berührung oder Tagträume fassen ein Leben ein, das voll und ganz in Wortkunst aufzugehen scheint. Cottens Anekdoten um Liebe, Sexualität und Trennung scheinen zunächst simpler Natur: Mal skizziert sie einen feucht-fröhlichen Streifzug durch die Subkulturkneipen Nagoyes, mal ergehen sich ihre Geschichten in Schilderungen von Beziehungskrisen, kurzweiligen Liaisons oder einfach nur in Beobachtungen von Kaulquappen.

Dass ihre Erzählungen zumeist homo-und heteroerotische Begegnungen gleichermaßen verbinden, führt raffiniert gängige Geschlechterbilder ad absurdum. Das Androgyne wird zum Lebenskonzept, Sprache zum poetischen Möglichkeitsraum neuer Realitätsentwürfe jenseits der Norm. Doch der philosophische Subtext geht dabei nicht selten in aufgeblähte Gedankenspiralen über, unter deren Hermetik der innere Zusammenhang des Buches empfindlich leidet. Doch als mutiges Experiment überzeugt die Prosa allemal. (Suhrkamp, 19,99 Euro)

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