Descender :: Dem sanften Sänger ist ein echtes Orchesterpop-Album geglückt
Orchesterpop ist im Musikjournalismus inzwischen eine fast ebenso verschwenderisch verwendete Vokabel wie das Kürzel „Indie“. Dabei kann man die Beispiele für tatsächlich von einem Orchester getragene Popmusik an zwei Händen abzählen: „Absent Friends“ von The Divine Comedy, ein paar Stücke der „Deserter’s Songs“ von Mercury Rev, bedingt Owen Palletts „Heartland“. Und natürlich vieles von Van Dyke Parks.
Miike-Snow-Sänger Andrew Wyatt hat jetzt ein Album aufgenommen, in dem all diese Referenzen durchscheinen. „Descender“ entstand gemeinsam mit den Prager Philharmonikern, die lediglich mit ein wenig E-Gitarre und Schlagzeug konkurrieren. Doch den Rhythmus geben hier die Streichinstrumente vor. Das wird gleich im gemächlich voranschreitenden „Horse Latitudes“ deutlich, das im Prinzip aus einem einzigen repetitiven, sich minutenlang tranceartig hochschraubenden Motiv besteht. Erst danach
lichtet sich der Morgennebel, und wir hören schwärmerischen weißen Soul-Pop („Harlem Boyzz“), Fanfaren und Engelschöre („Cluster Subs“), zeitversunkene Oden („In Paris They Know How To Build A Monument“) und majestätisch-aufgepumpte Balladen („It Won’t Let You Go“), wie man sie allenfalls noch auf Dennis Wilsons „Pacific Ocean Blue“ findet. Bis „Descender“, seinem Titel getreu, viel zu früh vorbei ist und Wyatts Wolkenkuckucksheim in alle Winde zerstäubt.(Downtown/Cooperative) MAX GÖSCHE
Camera Obscura