Devendra Banhart – Cripple Crow
Echt abgefahren, dieser Devendra Banhart. Mehr Hippie-Gefühl, mehr Vollmond-Begeisterung, mehr zärtlich verschwurbelte Schwärmereien findet man momentan kaum. Nicht einmal bei Coco Rosie, bei denen Devendras Freundin Bianca so traumhaft durchgeknallt singt, ‚wenn nicht gerade ihre Spielzeuginstrumente tuten und rasseln. Der Bärtige, der sich auf seinem vierten Album zum ersten Mal von einer Band begleiten läßt, steht in der Tradition von Tyrannosaurus Rex, The Incredible String Band und der Folksängerin Vashti Bunyan. Das Wort „Hippie“ ist dem Freund von Frauenkleidern allerdings Zu wenig zutreffend: „Ich spiele nicht Hacki-Sack, habe keine Dreadlocks und gehe auch nicht zu Ben-Harper-Konzerten. Ich bin New Age. Das ist eine angenehme Sache, denn es nimmt ein bißchen von allem: etwas Buddhismus, etwas Christentum, heute Yoga und morgen Thai-Chi. New Age nimmt das Beste von jeder Religion, es gibt kein spezifisches Dogma. Es ist wie das Internet, alles ist voller Information — Du mußt dir nur das Passende aussuchen.“
In dieser Saison ist es also eine Band namens Hairy Fairies, mit der sich Banhart schon auf der Tour im Frühsommer präsentierte, und die aussieht wie aus dem 1971er Kapitel des Geschichtsbuchs der Popmusik gefallen: haarige Trolle mit wild gemusterten Klamotten, die bei Gitarrensoli selbstverständlich die Augen schließen. Und wenn man dazu Lieder wie „Lazy Butterfly“ hört — mit Tablas, sirrender Sitar und kosmischen Gitarren – ahnt man, warum diese Platte unbedingt in Woodstock aufgenommen werden mußte.
Doch 74 Minuten Spielzeit sind lang, und es gibt auch einige spanisch gesungenen Lieder, wie „Quetate Luna“: sehnsuchtsvolle südamerikanische Volksmusik, ohne popkulturelle Posen, aber mit viel Hingabe und Rhythmus. Ebenfalls bemerkenswert ist die Sektion der „Kinderlieder“, am eingängigsten das als Single ausgekoppelte „I Feel Like A Child“: „From my womb to my tomb I feel like a child/ Well some people tried to treat me like a man/ Well I guess they just don’t understand“, singt der schöne Devendra mit gespielter Koketterie. Auch von „Chinese Children“ und „Little Boys“ ist in aller Unschuld zu hören. Bei letzterem kommt Banhart Prince so nahe, wie das nur möglich ist. Auch schön: „The Beatles“ mit der tollen Anfangszeile „Paul McCartney and Ringo Starr are the only Beatles in the world“. Danach geht es mit südamerikanischem Space-Jazz weiter.
„Cripple Crow“ ist ein herrlich vielseitiges Folkalbum geworden. Vielleicht nicht so experimentell und ‚weit vorne wie Animal Collective, dafür aber auch nicht so anstrengend — und sehr, sehr schön.