Dick Dale And His Del-Tones – Surfer’s Choice

Dass er einmal einige der markantesten Klänge in der gesamten Rockmusik-Geschichte erfinden würde, hat man Richard Monsour 1937 sicher nicht an der Wiege gesungen. Die Beach Boys sollten seine berühmtesten und reichsten Schüler werden. Immerhin besaßen sie dann so viel Anstand, für ihr zweites Album, „Surfin‘ U. S. A.“, seine Instrumentals „Misirlou“ und „Let’s Go Trippin'“ ziemlich brav und notengetreu nachzuspielen, als er mittlerweile bei derselben Plattenfirma unter Vertrag war. Ein anderer Schüler war der blutjunge Jimi Hendrix, der ihn bei seinen Auftritten im Rendezvous Club in Baiboa Beach bestaunte und sich vom Meister danach hinter der Bühne immer wieder mal Tricks und Kniffe beibringen ließ. Dick Dale – so sein Künstler-Pseudonym – war nämlich wie Jimi auch Linkshänder, spielte aber ebenfalls für Rechtshänder bespannte Gitarren. Seine Reverenz erwies er ihm nicht durch eine Cover-Version, statt dessen widmete er ihm auf dem Debütalbum der Jimi Hendrix Experience „3rd Stone From The Sun“, so als wollte er seinem Lehrer mit diesen knapp sieben Minuten sagen, zu was der ihn – sozusagen Technik-Freaks unter sich! – alles inspiriert hatte.

Dick Dale war nicht nur ein ungemein experimentierlustiger Gitarrist. Er testete für Fender auch Instrumente und Verstärker, bevor die in Serienproduktion gingen, probierte dabei aus, was man denen alles an Klängen entlocken könnte, und zwar dabei so wenig zimperlich wie Jahre vorher Link Wray bei „Rumble“, was Verzerrungen, Lautstärke und gegen jedes Chet-Atkins-Lehrbuch verstoßende Experimente angeht. Nachträglich könnte man auf die Idee kommen, dass er mit den frühen Aufnahmen damals auch Ennio Morricone beeindruckte und zu Ideen für Sergio Leones Spaghetti-Western-Trilogie inspirierte. Aber das ist Spekulation. Als gesicherte Erkenntnis darf gelten, dass Quentin Tarantino sehr genau wusste, was er tat, als er für „Pulp Fiction“ auf einen Dick-Dale-Klassiker zurückgriff. Im Gegensatz zu Link Wray war Dale kein großer Primitiver, der zum Vater von allem lautstarken Hard Rock nur deswegen wurde, weil er halbtaub war, sondern ein Virtuose an seinem Instrument. (Andernfalls hätte ihm Fender auch kaum besagte Praxis-Tests anvertraut.) Wie die Liner Notes verraten, war Vater Jim Swing-Fan, der den Junior schon früh mit Aufnahmen von Schlagzeuger Gene Krupa vertraut machte und ihm eine Plastik-Ukulele kaufte, auf der er dann aber Hank-Williams-Songs (sie!) spielte. Eine ganze Weile war er auch Sänger in seiner eigenen Country-Band, und Vater Jim brachte ein paar Singles auf seinem Del Tone Record-Label raus.

Der unverwechselbare Surf-Sound war dann angeblich aber ein Imitat: Von Spiel und Stil des besagten Gene Krupa, der für seinen eigentümlichen und -willigen Umgang mit dem Schlagzeug Fruchtbarkeits-Tänze wilder Stämme studiert und in demselben Spiel umgesetzt hatte. Außerdem imitierte er – kein Witz, alles nachzulesen in Dick Dales eigenen Worten hier – auch das Gebrüll hungriger Löwen und das durchdringende Trompeten von Baby-Elefanten. Leo Fender lachte sich halbtot, als er den jungen Mann erstmals linkshändig die Stratocaster spielen sah.

Das Lachen verging ihm, als der auf der Bühne einen seiner Verstärker in Schall und Rauch aufgehen ließ. Ab sofort entwickelte man innerhalb weniger Monate die ersten stabilen 85-Watt-Verstärker. Dick Dale dazu in den Liner Notes nicht ohne Stolz: „It was like going from a VW Bug into the fastest Lamborghini you could find…“ Jetzt konnte er endlich Aufnahmen machen, wie sie ihm im Sound vorschwebten. Weithin live in seinem Lieblings-Club aufgenommen, wo er am Wochenende – zum Kult in Südkalifornien geworden – vor Tausenden Fans spielte, finden sich unter dem Dutzend Aufnahmen etliche Instrumentals wie „Take It Off“, „Death Of A Gremmie“ und „Surf Beat“, von denen man sich immer noch sehr gut vorstellen kann, dass die viele Teenager zu Fruchtbarkeitstänzen animierten. Und das nicht nur in Kalifornien, nachdem Capitol die LP in den Vertrieb übernahm, als sie lokal zum Bestseller geworden war.

Eine der geschmacklich etwas gewöhnungsbedürftigen Aufnahmen war hier die von „Sloop John B“ gewesen, allen Ernstes mit Streichern und ein wenig a la Drifters und „Save The Last Dance For Me“ arrangiert. Die Verbeugung vor dem großen Clyde McPhatter war „Lovey Dovey“, der Blues-Abstecher Buster Browns „Fannie Mae“. Dass er als Teenager selber mit Johnny Otis in Konzerten aufgetreten war, hört man bei Jungle Fever“, einer von fünf Zugaben der Remaster-Edition. Eine gewisse Ähnlichkeit mit „Willie And The Hand Jive“ ist nicht zu überhören. Da „Miserlou“ (die Ur-Original-Single-Fassung mit diesem Titel) auch nicht fehlt und Bob Irwin alles bestens von den Originalbändern überspielte, ist das nichts weniger als ein ganz großes Stück Rock-Historie!

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates