Die Grasharfe

„Die Grasharfe“, von Truman Capote erscheint gerade neu in der schönen achtbändigen Werkausgabe des Verlags. Collin erinnert sich an die glücklichen Jugendjahre bei seinen Tanten Verena und Dolly. Vor allem Dolly, die einfache, aber herzensgebildete Kräuterfrau, hat es ihm angetan. Sie lebt in einem vormodernen Zustand der Unschuld und der Einheit mit der Natur; mit ihr und ihrer nicht minder schrulligen schwarzen Freundin Catherine streift er durch die Wälder, nicht zuletzt um die Ingredienzien für ihren hochwirksamen, geheimen Extrakt gegen Wassersucht zu suchen, der immer mehr Abnehmer findet. Verena, die raffgierige Geschäftsfrau, will das Mittel in großem Stil vermarkten und industriell herstellen lassen, aber dagegen wehrt sich Dolly. Sie flüchtet mit Catherine und Collin in ein altes Baumhaus. Das bringt die Bevölkerung der kleinen Stadt gegen sie auf. Der Sheriff schreitet ein, man wird handgemein, einer von Dollys Sympathisanten sogar angeschossen, aber am Ende kommt es zur Aussprache der beiden Schwestern inmitten eines symbolträchtigen Gewitters – und alle gehen geläutert nach Hause.

Capote beschreibt eine Idylle, die von den Menschen aus den Angeln gehoben zu werden droht, aber die Kräfte der Natur sind eben doch stärker. Die Natur wird hier nach der großen Götterdämmerung der Moderne zum letzten Heilsbringer. Mit dieser metaphysischen Gewißheit im Rücken erscheinen die profanen Probleme und Schicksalsschläge, mit denen sich die Protagonisten herumschlagen müssen, halb so schlimm. Aus der naturreligiösen Vogelperspektive kann man aufgeräumt und versöhnlich schreiben. (18,90 Euro)

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