Mit ihrer ersten neuen Platte seit 17 Jahren wollen DAF Tabus brechen wie in der Blüte ihrer Jugend. Leider sind keine mehr übrig

Boing-boing-bong, boing-boing-bong: Der Beat hat schlechte Laune. Wie ein Hartgummiball springt er auf und ab – unermüdlich, unerbittlich und gnadenlos monoton.

Eine durch und durch arrogante Stimme rezitiert dazu ein kindliches Heldengedicht: „Wenn der Sheriff reiten geht, reiten alle mit/ Wenn der Sheriff Feste feiert, feiern alle mit/ Alle müssen mal kapieren/alle müssen respektieren/ wer der Sheriff ist.“

Die Deutsch-Amerikanische-Freundschaft – neben den Fehlfarben die wichtigste Band des deutschen Punk – meldet sich zurück: Noch etwas unsicher, aber mit dem Willen zur Großmäuligkeit. „Unser anti-amerikanisches Lied“ nennt Sänger Gabi Delgado den gerade gehörten Song „Der Sheriff‘, die Single vom ersten gemeinsamen Album seit 17 Jahren. Ein im DAF-Sound von 1981 gehaltenes Stück über George W. Bush, ein Mittelding zwischen politischer Haltung und purem Populismus.

Anfang der Achtziger provozierte das Duo noch durch permanente Regelverstöße: „Die lustigen Stiefel marschieren über Polen“, „Tanz den Adolf Hitler!“ – viele ihrer Texte waren drastisch, doppeldeutig, trugen den Imperativ wie ein wehendes Banner vor sich her. Die großen Medien kläfften und geiferten natürlich gegen die vermeintlichen Neo-Nazis, deren subversives Spiel sie damals nicht verstanden. Auf dem Cover des mit Abstand besten DAF-Albums „Alles ist gut“ zeigten sich Delgado und sein Kapellmeister Robert Görl nackt, schwitzend und mit stolz erhobenem Kopf. Ein schwules Pin-up? Germanischer Körperkult? Das homoerotische „Der Räuber und der Prinz“ und der berüchtigte Hit „Der Mussolini“ ließen beide Deutungen zu.

Andererseits war es DAF gelungen, die rohen Gitarrenattacken des Punk auf Synthesizer und Sequenzer zu übertragen und so eine völlig neue Musik zu kreieren. Fehlfarbens „Monarchie und Alltag“ lief auf jeder Studenten-Party – die physische Power von DAF war dagegen eher ein Fall für prollige Vorstadt-Kids, die sich ein paar Jahre später für HipHop und Hardcore-Techno entschieden hätten.

„Wir sind nach wie vor da, um Tabus zu brechen“, findet Robert Görl, der in den letzten zehn Jahren vier Alben mit staubtrockenem Minimal Techno veröffentlicht hat, und wirkt dabei wie ein freundlicher, aber etwas naiver Fitnesstrainer. Der quirlige Gabi Delgado scheint eher der Motor hinter dem Projekt zu sein, zumal er, anders als sein Partner, für seine Solo-Platten nicht gerade mit Kritikerlob überschüttet wurde: „Robert und ich, wir hatten ziemliche Auseinandersetzungen, aber wir waren immer in Kontakt Vbr drei Jahren dachten wir dann: So, jetzt machen wir wieder DAF“. Aber erst im letzten Jahr, als der New-Wave-Hype auf dem Höhepunkt war, ergatterten DAF einen Plattendeal mit dem Major Universal. „DAF muss auch in Osnabrück bei Radio-Müller erhältlich sein“, sagt Delgado. „Wenn DAF nicht gehört wird, passiert nichts.“

Also hat sich Gabi, der ungezogene Punk, ein paar schwer kontroverse Themen geschnappt, auf denen er neckisch grinsend herumreitet., „Kinderlied“, ein Song über die Rolle der RAF in Delgados Kinderzimmer, ist dafür ein Musterbeispiel: Ist die RAF nicht längst ein enttabuisierter, zur Ikone gewordener Teil der Popkultur? „Richtig, ‚Kinderlied‘ ist ja auch kein politisches Statement, sondern die Aufzählung der Helden meiner Kindheit.“ „Du hast schon recht“, meldet sich Görl zu Wort, „das ist jetzt ein Pop-Lied, das RAF-Lied.“ Und das ist leider auch das Problem der „Fünfzehn neuen DAF-Lieder“. Sie überraschen nicht, sie erschrecken nicht, sie berühren nicht. Die neuen Tabubrecher des Pop – Marilyn Manson, Limp Bizkit, Rammstein – haben ihren Vätern die Show gestohlen.

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