Die sanfte Verführung
Im glücklichen Österreich kennt man David Schalko für mehrere Filme und die Fernseh-Reihe „Aufschneider“ mit Josef Haderer. Zur Fußball-Europameisterschaft 2008 ersann Schalko, Jahrgang 1973, eine „Mockumentary“ mit dem Titel „Das Wunder von Wien“, die naturgemäß vom Titelgewinn der österreichischen Truppe handelt, die dann in der Wirklichkeit sehr knapp gegen Deutschland verlor.
Sein Roman „Weiße Nacht“ (Czernin Verlag, 134 S.) wird angekündigt als „Buch zweier Lebensmenschen“, was zweierlei evoziert: Thomas Bernhards Verwendung des Begriffs „Lebensmensch“ – und die überraschende Adaption des Wortes durch den BZÖ-Mann Stefan Petzner nach dem Tod von Jörg Haider. Schalko spielt mit diesem Motiv, erzählt aus Sicht von Thomas aber auch eine Jesus-Travestie, eine Sekten-Persiflage, ein Science-Fiction-Märchen vom drohenden Untergang der Welt und der versprochenen Rettung durch den „Prinzen“, eine charismatische Lichtgestalt, Mitte 30. Sanft und psychedelisch führt Schalko in die Wahnwelt, in der die sinnsuchenden Massen zur Verkündung pilgern und der Ausrufung des „Endless Summer“ beiwohnen, einer Mischung aus Beach-Boys-Fantasie, Zigarettenreklame und Maharishi-Yogi-Illusion. Zugleich deutet der Roman Thomas‘ dörfliche Kindheit in der Obhut der Oma an und homoerotische Momente von Geborgenheit und geborgtem Glück.
Der Schriftsteller Robert Menasse behauptet grob, der Roman wolle sich „empathisch anschmiegen an den Gemütszustand eines Faschisten“ und sei „eine Parabel für einen gesellschaftlichen Rechtsruck“. Man kann auch sagen: Seit Peter Handke gab es keine so schutzlose Sehnsucht nach einem zärtlichen Blick auf die Welt.