Dim Lights, Thick Smoke & Hillbilly Music 1961-65 :: Fünf Anthologien mit rustikalen Songs aus den Sechzigern

Mit 24 in Nashville gelandet, hatte Hank Cochran (der von „Make The World Go Away“) schon bessere Zeiten erlebt, als er 1960 auf der Gehaltsliste des Musikverlags Pamper Music stand: mit einem armseligen Wochenlohn von zehn Dollar. Deswegen hatte er einen Song mit dem Titel „I Fall To Pieces“ zu schreiben begonnen – allerdings nicht über seine desolate finanzielle Lage, sondern zum zeitlosen Thema Liebesleid und -schmerz. Zu Ende brachte er das Lied erst mithilfe des geschätzten Kollegen Harlan Howard (mit „Heartaches By The Number“ ein ausgewiesener Kenner der Materie). Aber dann wollte den Song erst niemand aufnehmen, bis sich Patsy Cline – seit zwölf Jahren ohne Hit – dazu bereit erklärte. Acht Monate später spielte jeder Country-Sender des Landes „I Fall To Pieces“. Die Firma Decca hatte einen neuen und Cline ihren ersten Nummer-eins-Hit.

Es sind denkwürdige Anekdoten wie diese, die Colin Escott in den Liner Notes des neuen 5-CD-Pakets der Bear-Family-Serie erzählt, weil dröge Faktenhuberei eh nicht zu den Geschichten passen würde, von denen Country-Songs auch in der ersten Hälfte der 60er-Jahre allemal handelten. Die Major-Companies Capitol, Decca und RCA dominierten das Genre so übermächtig, dass Indie-Firmen gegen dieses Oligopol kaum eine Chance hatten. Shelby Singleton etablierte mit der Country-Filiale von Mercury zwar einen neuen Player in Nashville. Aber keiner war damals mächtiger und einflussreicher als Columbia-Veteran Don Law, Jahrzehnte zuvor Entdecker und Produzent von Robert Johnson.

George Jones‚ Karriere kannte zu der Zeit nur noch eine Richtung, und Buck Owens hatte mittlerweile einen so überragenden Superstar-Status erreicht, dass sich die Beatles bemüßigt fühlten, einen Song des Capitol-Kollegen aufzunehmen. Neue Songschreiber wie Willie Nelson, Roger Miller und Harlan Howard brachten es mit eigenen Aufnahmen oder auch Cover-Versionen zu beträchtlicher Prominenz. Neue Country-Stars brauchte das Land auch: Loretta Lynn, Merle Haggard, Charley Pride. Und Ray Charles, der – erst einmal das Fach gewechselt mit seinen auf zwei LPs veröffentlichten „Modern Sounds in Country and Western Music“ – die ganze Gattung ziemlich revolutionierte. Nicht notwendigerweise nur zum Besseren, weil sich ab sofort immer mehr Firmen in Nashville fast genötigt fühlten, Aufnahmen zunehmend in hoffnungslos überorchestrierten Arrangements zu produzieren.

Zur selben Zeit begann auch der unaufhaltsame Aufstieg des Produzenten Billy Sherill. Bobby Bare nahm damals Ian & Sylvias „Four Strong Winds“ auf, Johnny Cash „It Ain’t Me Babe“ und „The Ballad of Ira Hayes“. Dabei war er gerade im Begriff, seine Karriere durch Drogenexzesse und Skandale gegen die Wand zu fahren. Die großen Country-Heuler wie „Together Again“ und „She Thinks I Still Care“ jener Jahre fehlen in diesen sorgfältig kommentierten Retrospektiven natürlich nicht. Von Ray Charles gibt’s keinen seiner Country-Hits, dafür „Release Me“ in beseelter Deutung von Little Esther Phillips – zu einem schnulzigen Arrangement vorgetragen. Als Alternative zur Cash-Version findet man die „Ballad Of Ira Hayes“ auch von Peter LaFarge. Als unverzichtbar betrachtete man Jim Reeves‘ „Adios Amigo“, von Colin Escott in den Liner Notes als Heilmittel gegen Schlaflosigkeit angepriesen. (Bear Family) franz schöler

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