Diverse – Eat To The Beat

Verwunderlich an dieser Sammlung ausgesprochen anzüglicher bis schmuddeliger Lieder ist allenfalls, dass nicht schon längst mal jemand auf die Idee kam, Songs mit dieser eindeutig zweideutigen Thematik auf einem Album zu versammeln. Denn lange vor dem „Lemon Song“ von Led Zeppelin, oder Chuck Berrys Remake von „My Ding-A-Ling“ gab es Liedgut, bei dem man über die zweite, die tatsächliche Bedeutung des Textes nicht lange rätseln musste, etwa wenn die Toppers ihr „Baby Let Me Bang Your Box“ sangen. Einer der populärsten Rhythm & Blues-Stars war um die Wende zu den 50er Jahren Wynonie Harris, ganz groß seit „Drinkin Wine, Spo-Dee-o-Dee“. 1949 hatte er einen Nr. 1-Hit mit „All She Wants To Do Is Rock“. Da war der Begriff Rock’n’Roll aber bekanntlich noch gar nicht erfunden, das Verbum rock also keinesfalls eindeutig definiert. Nach „Sittin‘ On It All The Time“ hatte er ein Jahr später wieder einen Top-Hit mit „I Like My Baby’s Pudding“. Aber dass er damit auf die Qualitäten seiner Liebsten als Köchin anspielte, widerlegten spätestens die Verse „Gonna watch my baby both night and day/ So she won’t give my puddin‘ away/ My baby’s puddin‘ is all she owns/ So there ain’t no meat for Henry Jones.“ Wobei uns die Liner Notes auf dieser CD darüber informieren, dass Henry Jones eine Figur in einem Popsong der 40er Jahre war, über den es dort hieß: „Save The Bones For Henry Jones (‚Cause Henry Don’t Eat No Meat)“.

Wenig zu rätseln gab es bei der Single „Don’t Come Too Soon“ von Julia Lee & Her Boyfriends. Die meinte ganz sicher nicht dasselbe wie „Ginny Come Lately“ von Brian Hyland zwölf Jahre später. Bei der Veröffentlichung im Juli 1950 warnte das Branchenblatt „Billboard“ ausdrücklich, dass das wenig radiofreundliches Material sei. Auch sollte man Jukeboxes nur dort damit bestücken, wo der Betreiber keine Klagen wegen öffentlicher Aufforderung zu und Verbreitung von Unzucht befürchten müsse. Im Radio hatten die meisten der hier versammelten Aufnahmen eh keine Chance. Weshalb das auch nur ganz selten Pop-Hits wurden, denn dazu machte der Rundfunk Singles. Hank Ballard und seine Midnighters schössen zwar mit „Work With Me Annie“ 1954 an die Spitze der R & B-Hitparade und blieben in derselben gute sechs Monate. Aber erst in der unverfänglicheren, verwässerten Textfassung mit dem neuen Titel „Dance With Me Henry“ mutete man das später auch weißen Pop-Fans zu.

Das von Robert Plant so inbrünstig gesungene „Squeeze my lemon ‚til the juice runs down my leg“ hatte Wynonie Harris schon mal ganz anders verklausuliert in dem Song „Keep On Churnin (‚Til The Butter Comes)“. Aber das war nach seinem letzten Hit „Lavin‘ Machine“ der erste richtige Flop für den erfolgsverwöhnten Sänger, der auch für viele Kollegen ein Idol gewesen war. Als Grund dafür nennt der Autor der Liner Notes die rasant zunehmende Bedeutung des Rundfunks, an dessen Playlists sich die Juke Box Operators mehr und mehr orientierten. Wofür wohl irgendwo auch exemplarisch die Karriere von Dinah Washington stand, von den späten 40er bis in die frühen 60er Jahre ein Superstar im Rhythm & Blues. Ihr „Long John Blues“ von 194S über ihre Beziehung zum Zahnarzt („He took out his trusty drill, and he told me to open wide/He said he wouldn’t hurt me but he’d feel my whole inside“) wurde ein Hit. Ihre Beschwerde darüber, dass der Steel-Gitarrist nicht so gut war wie der von ihr so geschätzte Mann an der Posaune („He brought his amplifier/ And he hitched it in my plug/He planked and he plunked it/But it just wasn’t good enough/’Cause I need my daddy, need my daddy/ With that big long slidin‘ thing!“), fünf Jahre später in dem Song „Big Long Slidin‘ Thing“ geäußert, war für den Rundfunk zu starker Tobak. Als Dave Bartholomew 1952 die Ur-Fassung von „My Ding-A-Ling“ aufnahm, wollte das auch niemand hören. Also kehrte er reumütig zu Fats Domino und Imperial Records zurück. Im Blues wurden Erzählungen vom Little Red Rooster und seinen Aktivitäten dann bald weit populärer.

So was wie „L. A. Women Love Uncle Bud“, eine der Trouvaillen dieser CD, verkaufte Zydeco-Star Boozoo Chavis wegen Versen wie „Uncle Bud’s got a pecker like a baseball bat'“ immer nur auf einer privaten Single-Pressung bei seinen Konzerten. Die beiden anderen Raritäten der Sammlung sind die nicht jugendfreie Version, die Jackie Wilson und LaVern Baker von „Think Twice“ nach der Session aufnahmen, in der sie die freigegebene Version gesungen hatten, und das angeblich vom Brownsville Station-Gitarristen Michael „Cub“ Coda in der Freizeit mal aufgenommene „Somebody Else Was Suckin‘ My Dick Last Night“. Ersteres klingt mehr wie ein ausgesprochen nettes Ike & Tina Turner-Outtake der frühen 70erJahre (naja, bisserl schmuddeliger und unzüchtiger schon), während sich Cub Coda damals mit diesem Song durchaus für den Job in Robert Rodriguez‘ Kultrilm „From Dusk Till Dawn“ empfahl. Den bekamen dann aber die Blasters.

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