Diverse – The In-Kraut Vol.3 :: Eine weitere Ausgabe mit deutschem Easy-Listening-Camp

Auch die dritte und angeblich letzte German-Pop-KIeinigkeit aus dem Hause Marina hat nichts mit Schlager und den Banalitäten des bundesrepublikanischen Alltags in den 6oer und 70er Jahren zu tun. Eher denkt man an klirrende Eiswürfel in riesigen Whiskey-Tumblern und an das erlesene Design alter Braun-Anlagen, zu deren stereophonem Raumklang sich Frauen in Op-Art-Tuniken gedankenverloren durch die Katja-Ebstein-Frisuren streichen. Während in den Rockschuppen ernsthaft mit neuen Lebensentwürfen, seltsamen Drogen und 20-minütigen Gitarrensoli experimentiert wurde, träumte die bereits arrivierte Mittelschicht den Traum vom schönen Jet-Set-Leben: Jedes dieser 20, meist mit großem Orchester eingespielten Stücke hätte auch im Cabrio von Günther Sachs laufen können.

Super-fantastisch, wie sich die 21-jährige Inga (Rumpf) 1967 auf einer ihrer ersten Singles im Rhythmus von Sonny Bonos „The Beat Goes On“ wiegt: „Er packt dich mehr und mehr mit jedem Ton. Nein, diesem Rhythmus läufst du nicht davon.“

„Glory Be“ von „Daisy Clan“ — ein Studio-Projekt von Joachim Heider und Michael Holm(!) ist ein wunderbar künstlicher Fuzz-Pop-Song, den man noch heute ohne Bedenken in einem „Austin Powers“-Soundtrack verwenden könnte. Dieter Zimmermann machte für das BASF-Label (ja, dahinter steckte der Chemie-Konzern) aus „Whole Lotta Love“ ein raumfüllendes Big-Band-Vergnügen, das allerdings zu ähnlichen Ergebnissen kommt wie Alexis Korners CCS-Version, die ein Jahr früher in die Läden kam.

Hier liegt auch die einzige Schwachstelle dieser von Stefan Kassel und Frank Jastfelder wie immer enorm kompetent kompilierten Zusammenstellung: Deutschland war damals ein popkulturelles Entwicklungsland. Erfahrene Komponisten, Musiker und Bandleader schielten nach England und die USA und gaben sich alle Mühe zu verstehen, wie dieser neue, hippe Sound verflixt noch mal zusammengesetzt war. Man vermutete eine Formel, die man nur knacken müsste, um selber am Siegeszug des Pop teilzuhaben. Leute wie Ambros Seelos und sein Oktett waren grandiose Musiker, den Beatles, Stones und Kinks handwerklich haushoch überlegen – aber genau darin lag das Problem einer fehlenden Authentizität und allzu großen Perfektion und Glätte.

Aus heutiger Sicht hat diese Künstlichkeit-die man ja auch bei alten Meistern wie Burt Bacharach findet – allerdings einen enormen Reiz. Auch international konkurrenzlos ist „The World Is Gone“ vom Peter Thomas Sound Orchester: Das 1967 entstandene, von Araon Düül-Bassist Lothar Meid mitgeschriebene Weltuntergangsszenario wurde seltsamerweise nie offiziell veröffentlicht, dabei handelt es sich definitiv um eins der besten Stücke von Peter Thomas. „The Witch“ von Adam & Eve ist ebenfalls ganz groß, und auch Katja Ebstein hat mit ihrer psychedelischen Version von „A Hard Day’s Night“ einen magischen Räucherstäbchen-Moment. Da ruft man mit Lou Van Burg: „Wunnebar!“

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