DJ Shadow

Entroducing

Magie aus dem Sampler - Josh Davis alias DJ Shadow ist mit seinem Debüt-Album "Entroducing" der neue Zauberer unter den Mix-Artisten.

In einer dämmerigen Hamburger Hotelbar sitzt DJ Shadow tiefgebeugt an einem Tisch in der hinterletzten Ecke und trinkt Kakao. Irgendwo im Hintergrund verkündet Bruce Springsteen im Radio, daß er sich mal wieder „on fire“ fühlt, davon scheint der Mann aus San Francisco weit entfernt. DJ Shadow, a.k.a. Josh Davis, ist mit seiner ersten Platte „Entroducing“ angereist, um sich als ausgeruhter Skeptiker, Hip Hop-DJ und Sammler von 45-Inch-Funk-Singles vorzustellen. Er murmelt, „daß Springsteen-Songs bei mir den Eindruck hinterlassen, daß die Musik nur die Textpausen des Sängers füllt“. Weil ihn das nervt, gibt es auf „Entroducing“ keine Texte. Genau genommen gibt es nicht mal Instrumentalisten, nur die Leidenschaft eines blondgesträhnten Sampling-Fans für James Brown, Breakbeat und Tangerine Dream-Gezwitscher.

Man muß schon wirklich als Musiker empfinden, um Fixpunkte der modernen Popmusik-Geschichte so virtuos wie Davis miteinander zu verzahnen. Auf der Basis von Hip Hop-Beats ist ihm ein Album gelungen, transparent, krachig und so überzeugend, daß man ihm sein Gemurmel notfalls auch von den Lippen ablesen würde. Breaks, Baßlinien und tausend Tonschnipsel verschmelzen zu vertrackten Polyrhythmen – dieses „Entroducing“ hat nichts gemein mit oberflächlichen Nummernrevuen von Sample-Künsdern, die sich mit dem schnellen Ergebnis zufriedengeben. „Gut sampeln ist genauso aufwendig wie gut E-Gitarre spielen“, sagt Davis, der die Hardware begriffen hat, ohne sich nun gleich für den besten DJ der Welt zu halten. Ihm ist es das wichtigste, die Liebe für das, was er tut, nicht zu verlieren. Und dann erzählt er davon, daß er von Zeit zu Zeit versucht, Musiker aus den 70er und 80er Jahren zu kontakten, die nie wirklich erfolgreich waren, aber trotzdem unbeirrt weitergemacht haben.

So hat Davis davon erfahren, daß man letztlich immer etwas für seine Musik zurückbekommt, auch wenn man kein Star ist – und ist so den Verlockungen des Business gegenüber recht unempfindlich geworden. Davis weiß wohl, daß ihn im großen Musikgeschäft Millionen zerbrochener Musikerträume umgeben, und betreibt HipHop als Kunstform, meilenweit entfernt von den explicit lyrics-Peinlichkeiten goldzahniger Zunft-Großmäuler. Außerdem läßt er seine Stücke nicht remixen. Dafür genießt er in England und Amerika überraschende Anerkennung. Selbst allerdings wundert er sich über seinen Erfolg, auch, weil er „nie weiß, was demnächst ein Hit sein wird“. Die Zukunft des HipHop? Keine blasse Ahnung – weder den Erfolg der Fugees noch die Chartposition von NAS hat Josh Davis vorhergesehen: „Ich respektiere in der Regel Leute, die nicht unbedingt trendy sind.“ „Entroducing“ ist nun sehr trendy und gerühmt obendrein, dabei ist das Album schon im letzten Jahr eher beiläufig erschienen und obendrein im Schatten von Aphex Twin, dessen Künste bereits bekannt waren. Zusammen mit dem Engländer führt Davis nun jedenfalls die kreative Elektronik-Abteilung an.

Und er respektiert jede Art von Klang ohne Worte, „weil die Musik nicht durch Songtexte, sondern durch sich selbst verständlich sein sollte“. Davis‘ Verwandte haben das nie so recht verstanden. Aber die sind entschuldigt, weil sie alle Nirvana hören.