Doris Dorrie-Keiner liebt mich :: ab 12. Januar

Ihren ersten vier Filmen war sie eine der großen Hoffnungen des europäischen Kinos, die beiden unsäglichen Flops „Ich und Er“ und „Geld“ brachten dann den Absturz ins Nichts. Jetzt rappelt sich Doris Dörrie langsam wieder auf. Was an die Anfänge ihrer Karriere erinnert, ist die scheinbar hemdsärmelige, aber jederzeit kontrollierte Nonchalance, mit der sie sich einen Dreck um Genre-Typisierungen schert. „Keiner liebt mich“ lebt von den immanenten Brüchen, der Film ist ein morbidphantastisches Melodram voller Widersprüche.

Fanny Fink (Maria Schrader) liebt die Farbe Schwarz und besucht einen Volkshochschulkurs über „selbstbestimmtes Sterben“. Dort darf sich jeder seinen eigenen Sarg basteln; eine fingierte Beerdigung ist im Preis mit inbegriffen: Loch-Therapie. Fanny arbeitet am Sicherheits-Check des Köln-Bonner Flughafens und lebt in einem anonymen Apartment-Hochhaus. Bald wird sie 30 und ist immer noch Single – denn „keiner liebt mich“. Autosuggestion und gut gemeinte Ratschläge der Freunde und Verwandten helfen da nicht viel Dummerweise ist ihre Mutter (Elisabeth Trissenaar), eine renommierte Autorin, auch gerade ziemlich aus der Bahn geworfen, denn ausgerechnet Marcel Reich-Ranicki hat ihr jüngstes Werk gnadenlos verrissen. Mit im Hochhaus lebt der schwule Afrikaner Orfeo de Altamar (Pierre Sanoussi-Büss), der mit okkultem Schnickschnack und Auftritten in einer Travestie-Bar sein karges Leben fristet. Mit rituellen Beschwörungen kann er den steckengebliebenen Lift wieder in Gang setzen, und er sagt Fanny voraus, sie werde bald den Mann ihres Lebens finden. Ist es der neue Hausbesitzer, der sich bei den Mietern mit Rosen lieb Kind macht, aber das Haus in Eigentumswohnungen umwandeln will? Oder ist es der schüchterne Mann aus dem Sterbekurs?

Mitten im realistisch entwickelten Film wagt Doris Dörrie etwas Ungeheuerliches: Orfeo ist sterbenskrank und faselt dauernd von einem Ufo auf den Planeten Arcturus geholt zu werden. Orfeo singt ein letztes Mal Edith Piafe „Je ne regrette rien!“ und verschwindet spurlos vom Dach des Hochhauses – eine wunderschöne rätselhafte Aids-Metapher. In der inneren Logik des Films muß man den Ufo-Topos akzeptieren – ähnlich wie Peter Weir in „Picknick am Valentinstag“ vom Zuschauer verlangte, das Aufsuchen der anthropomorphen Felsen-Götter hinzunehmen.

Am Ende ist doch noch eine Komödie entstanden, aus dem Filmtitel hat sich das „k“ verabschiedet Von den weiblichen Selbstfindungsstreifen der jüngsten Zeit – angefangen mit „Abgeschminkt“ – ist dies der beste; gleichzeitig ein genau beobachtetes und deshalb trostloses Spiegelbild Deutschlands.

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates