Dota
„Springbrunnen“
Kleingeldprinzessin (VÖ: 27.6.)
Pop, zu groß, um noch Kleinkunst zu sein.

„Hörst du noch zu, oder ist das Lied jetzt zu lang?“, fragt Dota Kehr am Ende von „Einfach zu abgelenkt“ und besingt zu einem zartbitterfeinen Groove und einem nörgelnden Synthesizer das ADHS-Zeitalter, in dem alle zu abgelenkt für Utopien und den Klassenkampf sind und nach maximaler Zerstreuung oder Bildschirmnarkose streben. Zum Glück aber sind die Stücke der Berlinerin so gut, dass selbst Menschen mit kaputter Aufmerksamkeitsspanne dranbleiben.
Zum Glück sind die Stücke der Berlinerin so gut, dass selbst Menschen mit kaputter Aufmerksamkeitsspanne dranbleiben
Den Anfang macht das sanftimpressionistische „Der Frühling“, das mit einer Akustikgitarre, die so tut, als ob sie ein Loop wäre, Ambient nachempfindet. Es geht weiter mit dem kurios-ironischen „Im Springbrunnen“, das das süße Gefühl von Jetzt-ist-es-eh-schon-egal mit einem durch orientalische Schnörkel verzierten Dance-Track vertont, bei dem das Frühwerk von Wir sind Helden auf „Drei Chinesen mit dem Kontrabass“ trift. Später erwarten einen zum Beispiel noch mit „Wenn dir das reicht“ eine herrlich hibbelige Abrechnung mit der Aktionismus-Mode („Pseudo-Antifa-Kitsch“), das traurig voranstapfende Liebeslied „Ich und er“ oder die funky Großstadthymne „Alle sind zurück in der Stadt“.
Obwohl Dota Kehr schon zweimal den Deutschen Kleinkunstpreis gewonnen hat, ist der Pop auf „Springbrunnen“ viel zu groß, um noch als Kleinkunst durchzugehen. Und dass sie zuletzt auf zwei Alben die Lyrik von Mascha Kaléko vertont hat, scheint auch ihr eigenes Schreiben beeinflusst zu haben, etwa in der wehmütigen Sommerträumerei „Das wogende Meer“: „Wir da oben, wir noch ganz jung/ Wir im Sturm, wir im Park und wir kurz vor dem Absprung/ Wir in der Fußgängerzone gegen die Welt, und da bist du, der alles zusammenhält.“
Diese Review erschien zuerst im Rolling Stone Magazin 7/2025.