Drucksachen

Es gibt bessere und wahrhaftigere Bücher über den King, allen voran Peter Guralnicks zweibändige Bio „Last Train To Memphis“ und „Careless Love“, doch die miesen Elvis-Bände sind Legion, die fiesen leider auch. Zu letzteren gehören fraglos Albert Goldmans Bestseller-Denunziationen, während

„DOWN AT THE END OF LONELY STREET – THE LIFE AND DEATH OF ELVIS PRESLEY“

(Dutten, circa 75 Mark)von Peter Harry Brown und Pat Broeske zwischen diesen Extremen pendelt und nicht so recht weiß, ob es huldigen oder höhnen will. Die Autoren, bekannt geworden durch Biografien über Howard Hughes und Marilyn Monroe, streifen den Innovator und Katalysator nur, verbeißen sich indes mit Vorliebe psychologistisch in den wandelnden Widerspruch Elvis Presley. Verehrt wie kein zweiter im 20. Jahrhundert, doch allzeit unsicher und oft voller Angst vor Veränderungen. So heißen die Kapitel „Renaissance Man“ oder „Nowhere Man“, und für die Recherche wurde so ziemlich jeder herangezogen, der ihn zu kennen vorgab. Und seine Abhängigkeiten. „Sadly“, resümieren die beiden, „Elvis was involved with drugs longer than anyone previously realized“. Und weiter: „We like to think that by humanizing Elvis Presley – faults and all – we have elevated him“. Als ob das noch möglich wäre. Bob Dylan, bevor er sich zweitrangigen Glaubensgemeinschaften zuwandte: „Elvis is the deity supreme of rock’n’roll religion.“ Amen. 3,5

Unvergleichlich ärmer an Glamour, nicht aber an Einsamkeit und seelischer Pein verlief das Leben eines Mannes, dessen Songs vom Sixties-Triumvirat Beatles/Stones/Dylan gecovert wurden, der aber dennoch eine traurige Schattenexistenz fristete. „GET A SHOT OF RHYTHM & BLUES: THE ARTHUR ALEXANDER STORY“ (Uni versity Of Alabama, ca. 50 Mark) von Richard Younger schließt eine klaffende Lücke der Pop-Geschichtsschreibung. Geboren 1940 in Alabama, musste der kränkliche Arthur bereits im Kindesalter mehr Schicksalsschläge wegstecken als die meisten Menschen im ganzen Leben. Die Mutter stirbt, die ältere Schwester wird in eine Anstalt eingewiesen, erfindet Trost und Kraft in der Musik. Als Teenager gehört Alexander neben Dan Penn, Spooner Oldham und Donnie Fritts zur aufsehenerregenden Szene von Florence, Alabama. Mit 20 schreibt er „You Better Move On“. Das ist freilich erst der Anfang einer randvollen Vita. You better readon. 4,0

„WALKING AFTER MIDNIGHT – A JOURNEY TO THE HEART OF NASHVILLE“ (Picador, circa 50 Mark) von Lauren St.John umkreist die „alternative“ Country-Community der Music City USA. Emmylou Harris, Lucinda Williams und Gillian Welch kommen zu Wort, Steve Earle zieht zünftig vom Leder. Sattsam bekannt, doch immer wieder vergnüglich zu lesen: seine Tiraden wider den „anti-Hank“ Garth Brooks. Der könne keinen Ton halten, sei taub und „kind of evil“. Dazu gibt’s Räuberpistolen aus Earles wildbewegter Jugend. Die Autorin ist mächtig beeindruckt, was wenig wundert, wenn man weiß, womit sie seither ihr Geld verdiente: als Golf-Reporterin. 3,0 Nicht erst seit Cameron Crowes Streifen „Almost Famous“ en vogue: Reminiszenzen an die Sturm- und Drangzeiten f ormativer Lebensjahre unter der GenreÜberschrift „Rock’n’Roll, I Gave You The Best Years Of My Life“. Dass dabei viel verklärt wird, liegt in der Natur der Sache. Wer indes bloß schwelgt und seligspricht, betrügt nicht nur den Leser, sondern vor allem sich selbst. Tommy Womack, in Kentucky geborener, in Nashville lebender Songwriter, Musiker und bekennender Stones-Fan, läuft in seinen „CHEESE CHRONIC-LES“ (Eggman, circa 40 Mark) nie Gefahr, diesen Kardinalfehler zu begehen. Der Untertitel seiner turbulenten Memoiren als Mitglied eines fahrenden Popzirkus ohne Fortune in den erbärmlichen Eighties ist fürwahr kein Euphemismus: „The True Story Of A Rock’n’Roll Band You’ve Never Heard Of“. Abenteuerlich, humorvoll, köstlich. 4,0

„RIFF -TONSPUREN DES LEBENS“

(DuMont, 38 Mark) von Thomas Steinfeld, derzeit Redakteur des FAZ-Feuilletons, nähert sich dem Nexus Pop und Alltag von der literarischen Seite und bemüht Dichter und ihre Werke als Zeugen für eine nicht originelle, dafür aber erzählerisch hübsch illustrierte Grundthese: Die Präsenz des Pop lässt sich bis hinein in die letzten Winkel des Ichs, ja bis hinein in die geheimsten Träume belegen. Adorno, Camus, Mann und Huxley werden abgerufen. Peter Handke, der nicht immer unsäglich war. Rainald Goetz natürlich, der amokschreibende Rave-Apologet. Andererseits wäre Steinbeck kein deutscher Feuilletonist, würde er sprachlich nicht penetrant Distanz zum Pop demonstrieren und mit seiner diesbezüglichen Ignoranz kokettieren G,die Gruppe ,Greatful Dead'“ usf.). Bildung, relativiert. 3,5 „The Essence Of Rock“ heißt eine neue Reihe des Wehrhahn Verlags, die in 50seitigen, auf je 1200 Stück limitierten und numerierten Bändchen die wichtigsten LPs der Rockhistorie in Essayform vorstellen will. Den Anfang machen, daran mag man die Spannweite des nicht anspruchslosen Unterfangens messen, „ROUND ABOUT JUTESACK“ (24 Mark) von Michael Rudolf über das 130-minütige Yes-Live-Konvolut „Yessongs“, sowie Hartmut El Kurdis „SCHWARZROTE POP-PERLEN“

(24 Mark), eine Würdigung der Ton-Steine-Scherben-LP „Keine Macht für Niemand“. Liebhaber-Prosa, semantisch dem Gegenstand durchaus angemessen: Schwärmerisch-schwurbelig ad Art-Rock, politisch-argumentativ ad Agit-Pop. Wird fortgesetzt. 3,0

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