Drucksachen

„RYTHM OIL-(Da Capo Press, ca. 35 Mark) von Stanley Booth bleibt auch in der sechsten Auflage unübertroffen, was die literarische Erfassung der Südstaaten und ihrer Musik anbetrifft. „You don’t have to know how to spell ‚rhythm‘ to have it in your body and soul“, so Nick Tosches in einer Laudatio zu Booths leidenschaftlicher Prosa, auf jenes Gebräu anspielend, das auf der Beale Street in Memphis verhökert wird und dem Buch seinen Namen gab. Der Autor, wie Gram Parsons aus Georgia stammend und später in jener Stadt Wurzeln schlagend, wo Elvis den Rock’n’Roll extrapolierte, besitzt intimste Kenntnisse über Landschaften und Leute des amerikanischen Südens. Und ihre Musik. Booth berichtet von innen. Eine Perspektive, die beunruhigt, aber auch ungeahnte Einblicke gewährt. Der Trip runter nach Avalon, Mississippi, mit Furry Lewis zum Begräbnis von John Hurt. AI Greens Katechismen, Stax in Atlanta, Presleys Weiber, Burritos deluxe, Keef at 45, James Brown im Knast. Booth ist Beobachter, aber mit Herz und Seele. Essentialreading. 5,0

„BOB DYLAN IN EIGENEN WORTEN“ (Palmyra, 30 Mark) ist der rechtzeitig zum Wiegenfest des Songpoeten von Christian Williams kompilierte Zitatenschatz. Das meiste ist natürlich bekannt, vieles orakelhaft und ebensoviel banal. „Es klingt vielleicht komisch, aber ich mache mir eigentlich nichts aus Glanz und Glamour“, spricht der wandelnde Mythos einem Reporter 1980 ins Mikro. Na so was. Bekenntnisse von einem, der nicht gern öffentlich über sich nachdenkt. Gut, dass es Bono gibt. Der beginnt sein Vorwort nun wirklich nicht unkomisch: „Als ich neulich über Bob Dylan nachdachte…3,0

„THE LEGENDARY JOE MEEK“ (Cherry Red Books, ca. 55Mark)von John Repsch ist in der überarbeiteten Neuauflage noch so faszinierend und enigmatisch wie bei der Erstveröffentlichung vor zwölf Jahren. „No one has ever lived a life like Joe Meek“, so die Einleitung des Autors. Eine Behauptung, die auf mehr als 300 Seiten schlagend bewiesen wird. Wir werden Zeugen pophistorischer Ereignisse von großer Tragweite, blicken in die Abgründe einer Existenz „surrounded by intrigue and controversy“, und stehen am Ende entsetzt und ratlos vor den Trümmern, die der besessene Perfektionist hinterließ, als er 37-jährig unter ungeklärten Umständen starb. Meek warder britische Phil Spector, ein exzentrischer Sound-Hexer, der vom verkabelten Schlafzimmer aus unerreichte Standards setzte. John Leytons „Johnny Remember Me“ (1961) hören und vor Bewunderung erstarren ist eins. Mit Discografie. 4,5

„CLASSIC COUNTRY“ (Routledge, ca. 45 Mark) von Charles K. Wolfe sollte Pflichtlektüre werden für No-Depression-Jünger.diean Hank glauben, Gram verehren und in Uncle Tupelo womöglich ihre Wiederkunft vermuten. Wolfe, Autor bereits eines guten Dutzends verdienstvoller Bücher über den Komplex Country/ Folk, hat es unternommen, die Entwicklungslinien amerikanischer Volksmusik in groben Zügen nachzuzeichnen, am Beispiel von mehr als 50 Kurz-Biografien. Wolfe folgt der Prämisse, dass Stilgeschichte zu kurz greift, wenn sie lediglich musikologisch und soziokulturell betrieben wird. Bei ihm stehen die Lebensläufe der Protagonisten im Vordergrund, ihre Mission und Passion. Natürlich münden die unterschiedlichen Folk-Flüsse gen Ende der Fünfziger Jahre in einen Country-Mainstream, doch belegt Wolfe, dass atavistische, Urquell-gespeiste Strömungen bis heute wirksam sind. The Carter Family und Lefty Frizzell, Vernon Dalhart und die Delmore Brothers, Doc Watson und die Girls Of The Golden West: Wolfes konzise Porträts stellen die Künstler erklärend in den Kontext von Traditionen, die noch heute lebendig sind, wenn auch schwer auszumachen unter dem Wust von Geschäftehuberei und Geltungswahn. Schön zu lesen in diesem Zusammenhang: das Kapitel „From The Shadows: Unsung Heroes“. Vom Georgia-Mysteriosum Seven Foot Dilly bis zu den Studio-Session-Pionieren Zeke und Zeb Turner, deren Licks und Fills unter vielen anderen auch die Aufnahmen des Hl. Hank zieren. Klasse Fotos, umfangreicher Index. 4,5

„KIND OF BLUE“ (Granta, ca. 75 Mark) von Ashley Kahn beschreibt „The making of the Miles Davis masterpiece“, en detail. Ganze neun Stunden verbrachten der Trompeter und seine Jazz-Neuerer damals in den Columbia-Studios von New York, improvisierend. Die daraus resultierende LP, von Davis seinerzeit als „beautif ul failure“ missverstanden, avancierte seither zum allseits anerkannten Meilenstein des modernen Jazz. Eine Platte von universellem Appeal, die jährlich eine viertel Million neue Käufer findet. Hier steht, warum.4,0

„MUSICA LATINOAMERICANA“ (Lexikon Imprint, 68 Mark) von Egon Ludwig ist ein Nachschlagewerk, das für den längst abgeflauten Latino-Pop-Boom zu spät kommt. Kuba liegt aber noch im Trend, und das Interesse an Tango, Soca oder Salsa scheint ungebrochen. Dem Autor, 1938 in Chemnitz geboren und bereits zu DDR-Zeiten mit dem Sujet betraut, liegt ohnehin mehr an Fakten als an Fashion, wobei die seiner Herkunft geschuldete muffige Diktion und nicht immer ideologiefreie Urteile durchaus stören. 2,5

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