Drucksachen
„THE ZOMBIES – HUNG UP ON A DREAM“ (Saf Publishing, ca. 60 Mark) von Claes Johansen unternimmt es, die allzu kurze Schaffensperiode (1962-1967) einer der herausragendsten Brit-Bands der Sixties nachzuzeichnen. Exzellentes Songwriting, Colin Blunstones rauchig-schmeichelnde Pop-Stimme und Rod Argents R & B-Bewusstsein markieren die Eckpfeiler der Zombies-Magie, doch obwohl sie mit „She’s Not There“ und „Teil Her No“ zwei beachtliche Hits landen konnten, ereilte sie der ganz große internationale Erfolg erst 1968, nachdem sie sich schon aufgelöst hatten, durch einen Zufall namens AI Kooper. Das Album „Odessey And Oracle“ reüssierte zu spät, der Welthit „Time Of The Season“ brachte Geld und Ruhm, konnte die Risse im Gruppengefüge unglücklicherweise jedoch auch nicht mehr kitten. 4,0
„LIVING THE BLUES“ (Ruf, 39 Mark) ist, so der Untertitel, „Canned Heat’s Story zwischen Musik, Drogen, Tod, Sex und Überleben“, geschrieben von einem, der dabei war, fast von Anfang an: Fito de la Parra. Keine Lektüre für empfindsame Naturen und Sprachästheten. Der Mann kotzt sich aus, lässt nichts aus. Shit! „Fuck Woodstock, ich will nichts mehr davon hören“, so beginnt das erste Kapitel. Ohne Filter. 3,0
„DUSTY SPRINGFIELD – A LIFE IN MUSIC“ (Robson, ca. 65Mark)won Edward Leeson ist nicht die allgemein erwartete Skandalchronik der Sixties. Enthüllungsjournalismus ist Leeson, bisher vor allem als Literaturkritiker hervorgetreten, suspekt. Seine Recherche ist seriös, bezieht sich primär auf bereits Veröffentliches und wendet sich somit nicht an Insider und Fans. Wer etwa Lucy O’Briens rasanter geschriebene Biografie „Dusty“ (Pan Paperback, ca. 18 Mark) bereits kennt, wird bei Leeson nicht mehr viel Erhellendes finden. Vor allem, weil sich der Autor zwar nicht um die Abgründe im Leben der Sängerin herummogelt, aber selbst dann nicht seinen Beobachterposten aufgibt, wenn es um die existenziellen Widersprüche ihrer Vita geht. Die seltsame Schizophrenie zwischen der bürgerlich-braven Mary O’Brien und ihrem Alterego Dusty Springfield. Die mannigfachen Komplexe aus der Unvereinbarkeit von Katholizismus und der Karriere im promiskuösen Showgeschäft. Ihre Ikonisierung durch die Lesben-Community und die lebenslange Angst vor dem Coming-Out. Das unselige Südafrika-Syndrom. Was das Buch letztlich lesenswert macht, sind die Einblicke in den Musikbetrieb der 60er Jahre, in eine Ära mithin, als der Künstler und seine Stimme noch im Mittelpunkt standen, nicht der Macher und sein Produkt. Die Discographie berücksichtigt blöderweise nur Reissues und ist so lediglich für den flüchtigen Konsumenten von Interesse. 4,0
„BUT BEAUTIFUL“ (Fischer, 49Mark) von Geoff Dyer ist, wie das Cover lakonisch kündet, „ein Buch über Jazz“. Und was für eins. Report, Erzählung und Kritik, die sich um diverse Größen des Modern Jazz ranken, darunter Coltrane, Monk und Mingus. Kongeniale Prosa zu abenteuerlicher Musik, Fiktion mit Leidenschaft. 4,5
„DESPERADOS – THE ROOTS OF COUNTRY ROCK“
(Cooper Square, ca. 50 Mark) von John Einarson fasst sein Genre sehr eng, exkludiert gar Dylan und Gratef ul Dead, befasst sich dafür umso genauer mit dem Nukleus der Stilgeschichte, von „Sweetheari Of The Rodeo“ bis zum Tod des Pioniers Gram Parsons. Lustig, dass sich keiner der Protagonisten mit dem Terminus Country Rock anfreunden kann. Nicht einmal die Eagles. 3,0
„THIS LITTLE ZIGGY“ (House Of Stratus/Jarmusic, ca. 30 Mark) von Martin Newell ist diesmal kein Gedichtband des überaus produktiven und zu Recht gefeierten Poeten. Nein, Newell hat seine Memoiren verfasst. Furios und von allerfeinstem britischen Humor durchschossen. Eine vergnüglichere Lektüre wird man so schnell nicht finden. Lesen, kompulsiv. „It’s the best book I have ever read“, urteilt Kollege John Cooper Clarke, und XTC-Kopf Andy Partridge warnt den potenziellen Leser: „Stand back, the laughter will hurt“. 35 Episoden, vom Sommer 1964 bis zum Frühjahr 1975, eine unvergesslicher als die andere. „This book is dedicated to Hank Marvin and The Shadows – the f irst and the best“, verbeugt sich der Autor. Könnte es je eine coolere Widmung geben? Thanks, pal. 4,5
„MUSIK & ZENSUR“ (Der Grüne Zweig, 25 Mark) herausgegeben vom ewig umtriebigen Werner Pieper, befasst sich mit kultureller Oppression „in den diversen Deutschlands der letzten 500 Jahre“. Ein weites Feld, leider. Wobei der Sache wenig dienlich scheint, dass Pieper Beiträge über das Mittelalter (Ablehnung des Frauengesangs im Gottesdienst) nolens volens neben Essays stellt, die von staatlicher Reglementierung und Schikanen der DDR-Obrigkeit handeln oder von der momentanen Indizierungspraxis, die ungeeignet sei, den rechten Sumpf auszutrocknen. Geht alles wirr durcheinander. Comics und Collagen, Punk und Swing. Verdammtanstrengend, streckenweise. 2,5
„NIGEL KENNEDY ON TOUR – THIS WAY FOR EVERYTHING“ (Serges, 30 Mark) von Fotograf Michael Mitte deutet die Wandlung des Klassik-Punks zum seriösen Fiedler an, will aber nicht nur Starporträt sein, sondern das „Unterwegssein des Musikers“ beschreiben – mit unscharfen Bildern und leichter Poesie. 3,0