Drucksachen

„BILL WYMAN’S BLUES ODYSSEY“ (Dorling Kindersley/Ediiion Olms, 70 Mark) ist gewiss nicht so tiefschürfend geschrieben und stilvoll aufgemacht wie Lawrence Cohns Standard-Werk „Nothing But The Blues“, doch ist es dafür farbiger in Wort und Bild. Wyman ist weder Wissenschaftler noch Pädagoge, er will sich nur mitteilen. „Listening to the Blues has taught me so much about history, social issues and even life itself“, schreibt er im Vorwort. “ I wanted to teil people more about why I love this music and to share with them its heritage.“ Ein eher persönliches Anliegen also, publizistisch perfekt umgesetzt. 40 Jahre, sagt Wyman, hätten die Präliminarien verschlungen, vier Jahre lang wurden die 400 Seiten geschrieben und gestaltet. Ein Aufwand, der fraglos lohnte. Bill Wymans Journey To Music’s Heart And Soul“, so der Subtitel, ist Zeitreise, Stilgeschichte, Kulturkritik. Dem Blues-Novizen bietet Wyman ein optimales Entree, dem Kenner Lesestoff und ein Fest für das Auge. Bills Blickwinkel ist der des Fans und Forschers, seine Schreibe ist angenehm trocken und leicht (selbst)ironisch. Weniger in den historischen und musikologischen Passagen natürlich, mehr in den biografisch eingefärbten Kapiteln, ab den späten Fifties. Randvoll mit Fakten, respektabel recherchiert, vorbildlich illustriert. Coffeetable-tauglich, dabei mit immensem Gebrauchswert. Eine veritable Seltenheit mithin. Prepare to wantone. 4,5

„SUN RECORDS-AN ORAL HISTORY“ (Avon,ca.30 Mark) von John Floyd ist Teil der Reihe „For The Record“, die der meist kolportierenden und auf Sekundär-Quellen basierenden Popliteratur Berichte aus erster Hand entgegensetzt. Hier kommen Augen- und Ohrenzeugen zu Wort, die unmittelbar dabei waren, als Musikgeschichte geschrieben wurde. Privates aus dem Backstage-Bereich mischt sich mit Interna geschäftlicher Praktiken. Herausgegeben von Dave Marsh, gibt es in periodisch neu aufgelegten Editionen bereits Bändchen über Black Sabbath und Sam & Dave, George Clinton und Sly Stone. „Sun Records“ kreist die Memphis-Legende ein, trägt aber wenig zur Legendenbildung bei. Im Gegenteil. Liebgewonnene Vorstellungen werden entmythologisiert, einiges wird transparenter. Jim Dickinson erzählt, Jack Clement und Billy Lee Riley. Der Killer redet sich ins Fegefeuer, der King erscheint in der Erinnerung von Freunden mal als wilder Teenager oder als allzeit bescheidener Kumpel. Dickinson, der ihn 1956 mehrmals live erleben durfte, sieht das anders: „Elvis Presley was superhuman, hejustglowed.4,0

„STERNENHIMMEL“ (Hannibal, 78Mark) von Bettina Greve ist „die Chronik einer deutschen Schallplattenmarke“: Polydor. Halb Dokumentation, halb Festschrift, addieren sich die Künstler-Kurzporträts und Tonträger, die Hitparaden und Abbildungen zu einer Kulturgeschichte Deutschlands, von den 20er Jahren bis 2000. Marlene Dietrich und Rudi Schuricke heißen die frühen Helden, dann Catarina Valente und Freddy, Roy Black und Karel Gott. Heute? Hermes House Band und No Angels. Was sonst so alles den Bach runterging, bringt ein Handbuch auf den Nenner, das die Firma 1960 für Plattenverkäufer herausgab. Die Schallplatte, heißt es da, ist „ein Artikel des gehobenen Bedarfs. Sie kann nicht kurz und bündig über den Ladentisch gegeben werden. Die Schallplatte muss als sehr persönliche Ware mit Gefühl, mit Haltung verkauft werden“. Hochwertiges Cover, übersichtlich-sauberes Layout. Für Sammler unverzichtbar, für Studiosi des Schlagerbetriebs nicht minder. 4,0

„HOW BLUEGRASS DESTROYED MY LIFE“ (Drag City, ca. 45Mark) ist nicht weniger als das literarische Vermächtnis des unlängst verstorbenen, genialischen Saiten-Primitivisten und Blues-Mäzens John Fahey. „Part memoir, part personal essay, part fiction, part manifesto“ sei dies Buch, erklärt Lektor Damian Rogers vorab und erfasst damit nur unzureichend Faheys anarchische, idiosynkratische Prosa. Man muss zum Verständnis der episodenhaften Erzählungen nicht seine so urwüchsige wie geradezu vergeistigte Musik kennen. Man muss nichts wissen über sein Label Takoma oder sein Faible für Schildkröten. Man muss nie gehört haben von den Künstlern, die Fahey seit 1959 unter seine Fittiche nahm, darunter der wunderbare Robert Pete Williams, Schoßkind des Pechs. Es ist nicht erforderlich, den Delta Blues und den Buddhismus studiert zu haben, aber es hilft. Faheys Blick auf Amerika ist skeptisch, sein Ton meist mürrisch, sein Stil lakonisch. Selbst dann noch, wenn der Surrealist in ihm die Oberhand gewinnt und von Vorhäuten fabuliert, die das Fundament von Synagogen bilden. Oder wenn er, rasend komisch, über sein Encounter mit Antonioni sinniert. Bizarr. John Fahey, Gitarrist und sein eigener Guru, wurde 61 chaotische Jahre alt.

R.I.P. 5,0

„FIRE & RAIN – THE JAMES TAYLOR STORY“ (Mainstream, ca. 40 Mark)von lan Halperin klammert Kritik beinahe komplett aus und ergeht sich in hagiographischen Hudeleien. Was indes nicht heißt, dass dem Leser die Wahrheit über den prototypischen Singer-Songwriter vorenthalten wird. Man findet sie vornehmlich zwischen den Zeilen. Interessant: die Komplexe Jugend, Beatles/Apple, Heroin, Joni Mitchell/Carly Simon. Was am Ende bleibt, sind die Songs. Darunter immerhin das schönste, ergreifendste Lullaby aller Zeiten: „Sweet Baby James“. 2,5

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