Drucksachen von Seymour Glass
Einigen Lesern paßten die Worte nicht, die wir kürzlich anläßlich einer neuen Platte über Udo Lindenberg verloren. Nun spricht Udo selbst, und zwar in „UDO LINDENBERG IN EIGENEN WORTEN“ (Palmyra Verlag, 29,80 Mark), und eigen waren seine Warte ja immer. Arno Köster hat die goldenen Sentenzen des Philosophen zusammengetragen und auch einige Artikelchen über ihn, deren letzter freilich schon von 1991 datiert. Leider wurde Benjamin von Stuckrads Standardaufsatz (Hamburg, 1996) nicht berücksichtigt. Dafür schrieb Fritz Rau ein Vorwort, in dem er dem Künstler bescheinigt: „Udo Lindenberg hat wie kein anderer begriffen, daß Künstler als Mahner und Menschenanwälte aufstehen müssen, wenn es um Grundfragen der menschlichen Existenz geht.“ Arno Köster legt nach: „Udo Lindenberg ist eine Jahrhunderteinrichtung, eine lebende Legende…“ Sagen wir es doch so, Arno: Udo ist ein Mythos, ein Monument. Oder mit Heinz Rudolf Kunze: „Hinter dem Killer mit den knallengen Lederhosen steht ein anderer, weitaus tieferer Mann, und daß der öffentlich einen Gürtel trägt, auf dem Panik steht, ist kein Zufall.“ Kein Zufall auch, daß der Killer Kunze öffentlich ein Handtäschchen trägt, auf dem gar nichts steht. Die Jahrhunderteinrichtung aber spricht: „Menschen sind zunächst einmal dazu da, daß man sie achtet“ Den Rest – zu Politik, Menschenrechten, Leben im Hotel, Lindenzwergen, Tourneen und Honecker hat man genau so schon sehr oft gehört und gelesen. 1,0
Schön und opulent, aber leider recht oberflächlich und unpräzise ist „THE VIRGIN ILLUSTRATED ENCYCLOPEDIA OF ROCK“ (Edition Olms, 78 Mark). Neben knappen Abrissen und durchaus nicht sensationellen Fotos stehen Kolumnen mit den vermeintlich wichtigsten Alben, Filmen, Videos und Kollaborateuren der vorgestellten Künstler, doch die Auswahl ist mager und oft genug nicht annähernd repräsentativ. Eine Wichtung nach Bedeutung oder Erfolg findet nicht statt, hier wird fast alles gleich. Erst der Anhang liefert ordentliche Diskographien und die beliebte Sternchen-Bewertung, und da sind den Beckmessereien natürlich keine Grenzen gesetzt. Wer’s hat, wird nicht wesentlich schlauer – aber zum Schmökern und Schauen (und zum Widerspruch) taugt der Band allemal. Das Scharteken-Format, das schon bei der neuen Ausgabe von Montaignes „Essais“ störte, erweist sich auch hier als unpraktisch. Als Coffee-Table-Schwarte und zum schnellen Überblick geeignet. 3,0
Wer nach dem letzten Triumphzug der weltgrößten Band bereits unter Entzugserscheinungen leidet und sich auch von „No Seatrity“ nicht recht trösten lassen mag, der wird unter dem Tannebaum gern in „THE ROLLING STONES – LIFE ON THE ROAD“ (Schirmer/Mosel Verlag, 98 Mark) schmökern, einem zweifellos kostbaren Bildband, der nur wenig Text enthält, dafür aber Zitate aus erster Hand – und wie immer, wenn Keef sich (nicht) an die Vergangenheit erinnert, ist es stupend lustig. Doch die Geschichte erzählen die Fotos auch ohne Kommentar: wie die Haare immer länger wurden, das Leben immer hektischer, die Gesichter immer zerfurchter, die Gesten dramatischer. Keef: „We wouldn’t be here if it wasn’t for screaming, teenage, pubescent chicks.“ Auch die Pinkelpausen (Charlie!) sind dokumentiert. Wiederum Keef: „Travelling in the Volkswagen you got really adept at pissing through the air vents. You had to stand on the engine beam and get your cock out.“ Wem das zuviel Hatdcore-Rock’n’Roll ist, der kann sich an den nicht gar so vielen Fotos aus den ästhetisch verunglückten 70er Jahren delektieren, die auch an den Stones nicht spurlos vorübergingen. Oder an der späten Gigantomanie samt Bühnenbauten und Feuerspektakel. Oder Keef in der Umkleide – derselbe, der angeblich immer bloß zwischen zwei Paaren Jeans wählt. Da hat er wohl mal die eine gegen die andere getauscht. 4,0
Wenn diese Dokumentation überstanden ist, braucht man vielleicht einen kleben Ratgeber: „DROGEN-NOT-FALL“ (Schwarzkopf, 9,80 Mark) von Bernhard van Treeck enthält Anleitung für Eltern, Sozialpädagogen, Lehrer, Sozialarbeiter und Betroffene. Mit Adressen und Telefonnummern. Heißer Tip! 2,5