Drucksachen von Wolfgang Doebeling
Die Coffee-Table-Schwarte zum dekorativen Herumliegenlassen gewinnt an Gewicht und Aussagekraft, wenn sie nur einem einzigen Künstler gewidmet ist und den stolzen Besitzer unzweifelhaft als wahren Fan ausweist Der Elvis-Jünger ist fein heraus, denn an edlen Elvis-Wälzern herrscht fürwahr kein Mangel, und auch Beatles– und Stones-Fans können bereits ; unter Dutzenden von repräsentativen Photobänden und Werkschauen wählen. Nun wird endlich auch der Led Zep-Liebhaber aufs opulenteste bedient: „THE PHOTOGRAPHS LED ZEPPELIN“(2.13.61 Publications, 340 Seiten, ca. 220 Mark) kommt im schönen Schuber daher, bringt ein paar Pfund auf die Waage, macht keine Worte, und ist so auch dem retardiertesten Headbanger keine unzumutbare Bürde. Der von Ross Halfin zusammengestellte und von mehr als 20 anderen namhaften Kollegen (u.a. Bob Gruen, Barry Plummer, Michael Putland) bestückte Luxusband erweist sich auch für den Nicht-Fan als durchaus erhellend und es wäre gewiß falsch, die Häßlichkeit der damaligen Männermode allein den Musikern anzulasten. Vergleichende Studien belegen: Cool sah in den Siebzigern niemand, aber auch gar niemand aus. Und dann diese wallenden Mähnen. „Big Hair“ wäre ein treffender Buchtitel gewesen. Potenziert wird die zeitspezifische Haarspalter-Ästhetik freilich durch das gekonnt-imposante Posieren der Hard-Rock-Pioniere. Jimmy Page schürzt gern die Lippen zur Schnute und schließt die Augen, wenn er sich in einem Solo verliert. Robert Plant muß schon breitbeinig auf die Welt gekommen sein. Gleichviel, Gitarrero Page spricht im Vorwort vom „besten Photo-Band“, den es von seinem alten Quartett gibt, und da die Auflage in Europa auf 2000 Stück limitiert ist, empfiehlt sich für den Fan ein Anruf beim Versand in London: 0044-181-9600040. 3,5
John Tobler ist sicher einer der verdienstvollsten Musikkritiker Englands, und seine Arbeit für das legendäre Fanzine „Zigzag“ bleibt unvergessen, doch wenn er sich als Biograph betätigt, darf man keinen Enthüllungsjournalismus erwarten. Egal, ob er sich Buddy Holly vornahm oder Cliff Richard oder die Beach Boys, stets schöpfte der Vielschreiber aus sattsam bekannten Quellen. Bei aller Sorgfalt der Recherche blieben seine Bios bessere Sekundärliteratur. Dasselbe gilt für „ELTON JOHN: 25 YEARS IN THE CHARTS“ (Hamlyn, 200 Seiten, ca. 50 Mark), ein Hochglanzprodukt ohne jeden Tiefgang. Andererseits erspart uns Toblers Solidität Schlimmeres: das Dümpeln im Bulimiesumpf und in Sadomaso Niederungen. Warten wir also auf die Erinnerungen von Eltons Ex. 2,5
Reichlich dreist bedient sich Paul Moody bei Britpop-Bewegten: „BLUR: THE CREAT ESCAPE“ (UFO, 50 Seiten, ca. 40 Mark) birgt auf den wenigen Textseiten keinerlei Einsichten und auf den Bildseiten kaum Sehenswertes. Auch das großzügige LP-Format kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß Moodys Machwerk in cash-in-Manier jene Hardcore-Fans schröpfen soll, die glauben, alles haben zu müssen. Selber schuld. 1,5
Ausgesprochen value for money dagegen und eine ganz wunderbare Lektüre ist „THE LIFE AND LEGEND OF LEADBELLY“ von Charles Wolfe und Kip Lorneil (Harper Collins, 330 Seiten, ca. 25 Mark), das erstmals 1992 erschien und jetzt neu aufgelegt wurde. Die Autoren trieben extensive Feldstudien und haben keine Angst davor, am Mythos des größten schwarz-amerikanischen Folksängers und Songwriters zu kratzen. Oft tritt der Moralist und Politaktivist zurück hinter den zweifelnden, verzweifelten „negro“, der wegen Messerstechereien ins Zuchthaus wandert und dann die New Yorker Society im Sturm erobert. In demselben Maße aber, in dem die Mythologie verblaßt, gewinnt der Mensch Huddie Ledbetter an Kontur und, obschon voller Schwächen, auch an Kraft. Eine Pflichtlektüre für Amerikanisten sowieso, aber auch für Folkies mit Verstand. 4,5