DRUCKSACHEN :: von Wolfgang Doebeling
Die Luxus-Geschenkidee für den Stones-Fan, der schon alles hat und nicht unbedingt Kunstbanause ist: „WOOD ON CANVAS – EVERY PICTURE TELLS A STORY“ (Genesis Books via WOM, 748 Mark) ist ein auf 2500 Exemplare limitierter und signierter Prachtband, der neben Ronnies Holzschnitten, Skizzen und Gemälden auch Platz läßt für verbale Beobachtungen des Art-School-Dropouts sowie für eine Latte von Evaluationen befreundeter Musiker, von Bob Dylan über Eric Clapton bis zu Pete löwnshend. Versteht sich, daß sie auch porträtiert werden, Versteht sich, daß die Stones im Zentrum stehen. Mit dieser Band, schreibt Woody, habe er schon seit frühester Jugend eine Liebesbeziehung gepflegt, wenn auch anfangs nur eine einseitige. „I always was a Rolling Stone in my head, right from die first Publicity shots and the first record. I thought: that’s my band, I’ll be in that band someday.“ Die Bilder selbst sind keine Offenbarung, manches ist arg kunstgewerblerisch, anderes so realistisch wie redundant Doch es gibt auch einiges zu entdecken. Die Zeichnung von Charlie Parker, Sketche von Charlie Watts und Big Bill Broonzy. Und von Johnny Rotten, den Ron Wood in bester Erinnerung hat: „He had a ‚I hate Pink Floyd‘ T-shirt, which is why I’ll always show him respect.“
Hübsch auch die paar kurzen Anekdoten aus Woods Vorleben ab Mitglied der Birds, der Jeff Beck Group und der Faces. „Every hotel had banned The Faces so we used to check-in as Fleetwood Mac“, erinnert sich der allzeit joviale Sympath, der nur schwer aus der Ruhe zu bringen ist und – nach eigenem Bekunden – nur selten ausrastet. Wie damals, als ihn ein Sektierer von den „Children Of God“ missionieren wollte und Woodys „Fuck off!“ ignorierte. „Bang! I hit him. I was so annoyed.“ Wie gesagt, kein übler Kerl, dieser Ronnie Wood. Was seine Bilder freilich nicht aufwertet, die im Original inzwischen meist um die 10 000 Dollar kosten, aber natürlich nur einen Bruchteil davon wert wären ohne den Promi-Bonus. Dasselbe gilt für das bildhafte Gestalten John Lennons, David Bowies und jedes anderen pinselschwingenden Rockstars. An Aufmachung und Druckqualität des Kunstbandes gibt jedoch nichts zu bemängeln, das Ding macht was her. Obendrein liegt eine CD mit vier exklusiven Tracks bei, von denen immerhin zwei sehr bemerkenswert sind: „Somebody Else Might“ ist komplexer, mitreißender Soul-Funk (zweite Gitarre: The Edge), „Interfere“ ein besinnliches Instrumental mit Woody und Bob Dylan an den Gitarren, Willie Weeks am Baß und Ian McLagan, der übrigens derzeit in Billy Braggs famoser Tburing Band die Hammond-Tasten drückt, am Piano. Opulent und teuer. 4,0
Was es von den Beatles und Stones schon gibt, und sogar von Led Zeppelin und Pink Floyd, gereicht nun endlich auch Bob Dylan-Fans zu Lektüre und Leitfaden: „MY BACK PAGES – CLASSIC BOB DYLAN 1962 – 1969“ (Carlton/Edition Olms, 42 Mark) von Andy Grill beleuchtet „the stories bebind every song“ durchaus kenntnisreich, jedoch ohne Insider-Attitüde und exegetische Eiferei. Dylanologen und Bobgläubige werden schon nach wenigen Seiten abwinken. „Kalter Kaffee“, werden sie verächtlich schnauben, „alles sattsam bekannt“. Mag sein, aber als Wegweiser durch das Labyrinth zahlloser Deutungen und kryptischer Querverweise in der bisherigen Bobliteratur taugen GUIs prägnante Texte allemal. Seine Analysen sind schlicht und oft genug treffend, gerade weil er sich von gängigen Spekulationen abkoppelt, Mythen hinterfragt und sich im wesentlichen auf konkrete Informationen bezieht. „Tell Me That It Isn’t True“, ist das nicht der Song, den Bob für Elvis geschrieben hat? Klar, nickt der Bobkauz, das ist doch Folklore. Nur: Einen unwiderlegbaren Beweis dafür gibt es nicht. Seine Bobness hat sich nie dazu geäußert, und Bob Johnston, der Produzent von „Nashville Skyline“ und mithin selbigen Tracks, schwört Stein und Bein, daß der Song im Studio diverse Sound-Metamorphosen durchlaufen hat und unter verschiedenen Taktvorgaben stand, bevor er „ganz zufällig“ das Elvis-Timbre traf. Autor Gilt, der ja nicht dabei war und sich sein Wissen aus dem Studium der Sekundärliteratur zapfen mußte, löst die Identitätsfrage sibyllinisch und souverän. „Tell Me That It Isn’t True“, schreibt er, „sounds like it was written expressly for Elvis Presley.“ Das stimmt in jedem Fall, daran ist nicht zu kritteln.
Was nicht verbürgt ist, erscheint im Konjunktiv. So ist das Buch über weite Strecken ein Report, lebt von Zitaten, die der Bobfan bereits kennt Der Bobnovize freilich freut sich über die an den Alben entlang klar gegliederten Geschichten, die stets relevante Hintergründe erklären, ob musikologische, historische, literarische, philosophische, politische oder ganz persönliche. Dylans Bemühungen etwa, dem glühend verehrten Woody Gudirie seine Aufwartung zu machen, Guthries Faible für „den Jungen“, wie er ihn nannte, Dylan 1961 am Bett des todkranken Idols, „Song To Woody“ singend. Und nachdem Dylan gegangen war, Guthries Urteil: „That boy’s got a voiee. Maybe he won’t make it in his writing, but he can really sing it.“ Oder die wechselvolle Beziehung zwischen dem struppigen Barden und „House Of The Rising Sun“. Zuerst klaute Dylan Dave Van Ronks Arrangement, rücksichtslos, wie er oft war, und nahm die Beute-Version gegen Van Ronks ausdrücklichen Wunsch für seine erste LP auf, die Produzent Tom Wilson dann drei Jahre später ohne Dylans Wissen elektrifizierte, unter dem Eindruck der transatlantisch erfolgreichen Variante der Animals aus Newcasde, England. Oder, ganz aktuell im Lichte des eben „offiziell“ veröffentlichten, sogenannten Royal Albert Hall-Konzerts, ein Kritiker-Schmäh aus jenen revolutionären Tagen: „Dylan used to sound like a lung cancer victim singing Woody Guthrie. Now he sounds like a Rolling Stone singing Immanuel Kant.“ Köstlich. Viel Spaß beim Schmökern. 4,5
Zum Schluß, in aller Kürze, eine lesenswerte, sogar wichtige Biographie: „DEAR BOY: THE LIFE OF KEITH MOON“ (Omnibus, ca. 60 Mark) von Tony Fleteher bläst die Spinnweben vom Moon-Mythos und charakterisiert den pathologisch Exaltierten als ewigen Schuljungen, unsicher, verletzlich, herrschsüchtig, zärtlich und grausam, verzweifelt und am Ende vereinsamt. Natürlich gibt’s auch die Dönekens über Exzesse und Perversionen von „Moon The Loon“, den Rolls Royce im Swimming Pool und Fernseher im freien Fall, doch nur als Staffage für die Erkenntnis: Der genialische Drummer war ein unmäßiges Partyrier, sein Tod programmiert En passant zeichnet Fleteher ein konzises Bild der frühen britischen Mod-Szene: maximum R&B.4,0