DRUCKSACHEN :: von Wolfgang Doebeling
„“STRAIGHT FROM THE FRIDGE, DAD“ {Broadway Books/Random House, ca. 30 Mark) von Max Decharne ist ein „Dictionary Of Hipster Slang“, das sich für all diejenigen als vergnügliche und nützliche Lektüre erweisen wird, die alten Blues, Jazz und Rock’n’Roll lieben und dem dort gebräuchlichen Vokabular auf die Schliche kommen wollen. Auch Aficionados von Pulp Fiction der 30er bis 50er Jahre und Leser von Jim Thompson und anderer hartgesottener Crime-Prosa werden hier das eine oder andere lange entbehrte Aha-Erlebnis haben. Get wise. 4,0
„“LINDA McCARTNEY“ (Hannibal,48Mark)von Danny Pields ist, der Subtitel lügt nicht, tatsächlich „“Das Porträt einer unbekannten Frau“. Als Pauls Muse und Wings-Klimperliese wurde sie zur Zielscheibe von Häme und Hass, als aktive Tierschützerin bekam sie es mit Zynikern und den Lobbyisten der Fleischindustrie zu tun. Linda litt unter den Anfeindungen, ließ sich aber nicht unterkriegen, gab gar noch ihrem seelisch schlingernden Gatten Halt, hielt die Familie zusammen und glänzte ganz nebenbei als Fotografin. Stark und gut war diese Frau. Nicht als Musikerin, nur als Mensch. 3,5 „
„FOR WHAT IT’S WORTH“ (Rogan House, ca 45 Mark) von John Einarson und Richie Furay ist, in bereits dritter Auflage, „The Story Of Buffalo Springfield“. Wie so oft, wenn eine Bandgeschichte vornehmlich aus der Perspektive eines Mitglieds nachgezeichnet wird, bleiben etliche Aspekte, die Ex-Kollegen betreffend, im Halbdunkel. Im diesem Falle ein später Akt ausgleichender Gerechtigkeit, denn Furays Rolle im musikalischen Gefüge dieser fabelhaften Westcoast-Combo wird gemeinhin sträflich unterschätzt. Zwei Folkies aus dem Greenwich Village (Furay und Stephen Stills) treffen zwei kanadische Rock’n’Roller (Neil Young und Bruce Palmer) per Zufall in LA. Die Mischung zündet, brennt lichterloh und verpufft jäh. Die kurze Lebensspanne (1966-1968), diedieser Band beschieden war, steht indes in keinem Verhältnis zur Schönheit und Beständigkeit ihrer Musik. Am Ende waren es Genie und Größenwahn, die zur Implosion führten. „“We were so confident“, erinnert sich Neil Young an jene Sturm- und Drangzeit, „we saw ourselves as having no competition other than the Beatles or the Stones.“ 4,0
„“SHADOWS AND LIGHT“ (Virgin, ca. 75 Mark) von Karen O’Brien ist, endlich, eine lesenswerte, weil völlig unprätentiöse und mit Urteilen sparsam hantierende Biografie über die größte Songschreiberin überhaupt: Joni Mitchell. Hysterischer Rock’n’Roll-Teen, Hippie-Chick, Woodstock-Ikone, Folk-Empathin, Nonkonformistin in Song und Bild: What a lifel Mit Mitchells momentaner Lieblingsrolle als bildende Künstlerin endet die Bio, abrupt, unvollendet. Mehr dann wohl erst im nächsten Jahr, wenn Jonis Autobiografie denn wie geplant fertig wird. 4,0
„“GIRL GROUPS“ (Krause, ca. 55 Mark) von John Clemente ignoriert moderne Mädchenbands wie All Saints oder Destiny’s Child zugunsten einer Genre-Definition, die um den klassischen Girl-Group-Sound der Sixties zentriert, also um Phil Spectors Hexenküche und die Tamla-Hitfabrik in der Motown (Detroit). Ein paar Ungereimtheiten machen ein wenig stutzig. So berücksichtigt Clemente in seinen sechzig Gruppen-Porträts zwar die nachgeborenen Go-Gos, nicht aber die Bangles. Dennoch ist der Band eine Fundgrube nicht nur für Fans jener großen Ära, als sich Unschuld und Erotik im Pop noch in einem Spannungsfeld befanden und Sex noch als Innuendo inszeniert wurde, nicht als Raubüberfall auf den Hormonhaushalt. „“Fabulous Females That Rocked The World“ verheißt der Untertitel ohne Übertreibung, darunter natürlich die allseits bekannten und beliebten wie die Ronettes oder Supremes, aber auch etliche verkannte und nicht weniger brillante wie die Marvelettes oder Reparata & The Delrons. Ellie Greenwich persönlich schrieb das Vorwort, der Index listet den „“Hottest 500 Collectible Girl Group Records Value Guide“. Eine feine Sache für uns „Analfixierte“ (Arne Willander). 4,0
„“MADONNA“ (Michael O’Mara, ca. 70 Mark) wurde von Andrew Morton verfasst, jenem inzwischen berüchtigten Bestseller-Biografen, der bereits mit Büchern über die Hl.Diana und die unheilige Monica Lewinsky hervorgetreten ist. Nun also die sich gern zur heiligen Hure stilisierende Madonna, immerhin „the most wanted woman in the world“, wie Morton weiß. Mehr Welthits als die Beatles, bald so viele wie Elvis: Die Statistik ist unerbittlich. Um diesen immensen Erfolg zu erklären, versucht sich der Autor an der Quadratur des Kreises. „“A considerable artist“ sei Madge. Da sich diese These indes nur schwer an ihren Platten und noch schwerer an ihren Filmen festmachen lässt, erfindet Morton flugs eine neue Kunstgattung. „“She is an important artist who has used her social and sexual codes as her weapons of choice.“ Willkommen in Veronas Welt. Madonnas Marketing-Manöver, vom Autor mit unverhohlener Bewunderung kolportiert und stellenweise kühn dramatisiert, weisen die Heldin als extrem widersprüchliche Figur aus: als stockkonservative und exhibitionistische, manipulative und verletzliche, opportunistische und gläubige Katholikin mit protestantischer Arbeitsethik. Eine Frau, die ihre Jobs gut macht. Blowjobs ausgenommen. Die macht sie gar nicht, hat Morton eruiert. Poor Guy. 2,5