Drucksachen von Wolfgang Doebeling

Nur drei wirklich lesenswerte Biographien gibt es über den größten Songwriter dieses Jahrhunderts: „Sing A Sad Song“ von Roger Williams, „Your Cheatin‘ Heart“ von Chet Flippo und „Hank Williams“ von Colin Ascott. Letztere liegt jetzt übersetzt und unter dem Titel „HANK WILLIAMS: Das Leben einer Country-Legende“ (Hannibal, 50 Mark) vor. Escott gelingt es auf eindringliche Weise, Mensch und Mythos zu scheiden, Figur und Fanal, King of Heartbreak und Cadillac Cowboy. Hin- und hergerissen und am Ende zerrissen zwischen den sündigen Samstagnacht-Songs von Hank und den reumütigen Sonntagmorgen-Rezitationen des mahnenden alter egos Luke The Drifter, kämpfte Williams einen so titanischen wie aussichtslosen Kampf, den er nicht einmal in seinen Träumen gewinnen konnte und der in Tragik münden mußte. Gevatter Alkohol und Gespons Audrey beschleunigten lediglich die seelische Sturzfahrt, waren nur Nägel in Hanks Sarg.

Essentielle Lektüre, im Anhang mit allen Studio-Sessions und der kompletten Discographie des genialen Songkünsders. 4,5

Nicht nur begleitend zur Bio sei dringend „HANK WILLIAMS: The Complete Lyrics“ (St Martin’s Press, ca. 30 Mark) ans Herz gelegt. Den Shakespeare der Country Music hat man ihn nicht umsonst genannt Hanks Songtexte sind ein Refugium für Verzweifelte, spenden selten Sinn, aber oft Trost im irdischen Jammertal. Ebenso wichtig wie Rimbauds Dichtungen, Schopenhauers Aphorismen und Nietzsches „Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik“. Nein, wichtiger noch, bekenntnisstärker, erkenntnisreichet „No matter how I struggle and strive, I´ll never get out of this world alive.“ 5,0

Auch IAN CURTIS war ein Getriebener, ein Opfer von Obsessionen und, mehr noch, ein Wüterich wider die Trostlosigkeit unserer Kulturlandschaften. Auch er schied früh aus dem Leben, auch er wird kultisch verehrt, auch sein Werdegang desavouiert Neil Youngs romantische Phrase, wonach es besser sei, „to burn out than to fade away“. Deborah Curtis, Ians Witwe, erinnert in dem sehr persönlichen Buch „AUS DER FERNE…“ (Die Gestalten, 25 Mark) an diese gespaltene Persönlichkeit, die man ganz zu Unrecht als den „Jim Morrison der Punk-Generation“ geschmäht hat, an all die Seelenpein, aber auch an die Ursprünge von Joy Division. Das Buch endet mit Ians Freitod und läßt offen, wie die introvertierte und doch hypnotische Intensität von Joy Division so mir nichts, dir nichts degenerieren konnte zu New Orders technisch versiertem Intelligentsia-Blubberpop. „Ideals turning to dust“, so Curtis in einem „Untided“ überschriebenen Song. Vielleicht war es so einfach. 4,0

Und schließlich drei deutsche Erstausgaben von Semi- und QuarterKlassikern, alle erschienen im Sonnentanz-Verlag. „ROCKING IN THE FREE WORLD“ (45 Mark) von Johnny Rogan hat im 1982 veröffendichten Original den weitaus schöneren und sinnigeren Titel „Here We Are In The Years“. Rogan selbst hat zwar eine Aktualisierung vorgenommen, doch behandeln die best-recherchierten Abschnitte Neil Youngs frühe Jahre: front Hank (Marrin) to Hendrix. 4,0

Aus „Sex Pistols: The Inside Story“ von Fred und Judy Vermorel wurde „SEX PISTOLS: Anarchie im U.K.“ (42 Mark). Ein in der englischen Ausgabe ergötzlicher Punk-Reader, immanent zwar und schamlos affirmativ, aber eben aus erster Hand, nicht nachempfunden. Die Eindeutschung bewirkt ebendas: Distanz und nurmehr nachempfundener Haß. Das allerletzte sind die Song-Texte: „Wir sind oh so, oh so ziemlich hohL..“2,5

Ein Fehler, den „THE CLASH: Revolution Rock – Die Gang aus Brixton“ (36 Mark) nicht macht, schon weil die beiden Vielschreiber Miles und John Tobler sich im wesentlichen aufs Erzählen beschränken und sich also nicht lange mit unnötigen Erklärungen aufhalten. 3,0

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