Duffy :: Endlessly
Mit Albert Hammond Sr. und The Roots hat die Waliserin bei ihrem zweiten Album ihr Repertoire erweitert.
Mitte Oktober sang Aimee Ann Duffy einige neue Songs bei „Later with Jools Holland“, Großbritanniens bestem TV-Programm für Live-Musik. Die Nation sollte dabei sein, wenn ihre walisische Tochter auf die Bühne zurückkehrt. Duffy stand da im langen Rock, im blonden Haar eine Schleife, jede Geste damenhaft. Wir werden jetzt nicht wieder von Dusty Springfield anfangen, aber: Das war vollendeter Klassizismus. Toll, wie die Sängerin nicht am Mikro hing, sondern erhaben Abstand hielt, manchmal scheinbar nicht mal wirklich hinein sang. Nein, Duffy brauchte das Mikrofon nicht. Das Mikrofon brauchte Duffy.
Zwei der dort vorgetragenen Lieder – „Endlessly“ und „Well, Well, Well“, die erste Single – stecken ganz gut den Rahmen für das zweite Werk von Duffy ab. Auf der einen Seite das elegische Titellied, eine tadellose Soulballade mit Federhallgitarre und schwelgenden Streichern. Auf der anderen Seite quirliger Disco-FunkPop mit HipHop-Beats. So wollte es Duffy, als sie vor etwa einem Jahr ihre Sachen packte und nach Amerika ging. Duffy tat sich mit Albert Hammond Sr. zusammen, dem Vater des gleichnamigen Strokes-Gitarristen. Hammond Sr. ist Mitte 60 und schrieb einst „It Never Rains In Southern California“, „The Free Electric Band“ und „Down By The River“, aber auch „The Air That I Breathe“, „Nothing’s Gonna Stop Us Now“ und „One Moment In Time“ für die dazugehörigen Künstler. Er ist ein beseelter Handwerker, der den Pop von allen Seiten kennt und die traditionelle Kunst des konzisen Songwriting beherrscht.
Auf „Endlessly“ erkennt man seine Handschrift am deutlichsten bei den klugen Akkordfolgen von „Don’t Forsake Me“, einer traurigen Soul-Folkballade mit Chören und Streichern wie von den Walker Brothers. Eine andere wundervolle Schnulze heißt „Too Hurt To Dance“. „If they call it heartache/ Why is the rest of my body aching?“ fragt Duffy zum langsamen Walzer. Die Textidee trägt das Lied, so geht die alte Schule.
Weil Duffy es aber fleischlicher wollte als auf ihrem Debüt, lud sie die HipHop-Könner The Roots ins Studio, um die klassische Schreibe mit modernen Klängen zu paaren. Der Opener „My Boy“ ist nun eine Schnittmenge aus Disco, 80s-Pop und modernem R&B, man denkt gleichzeitig an Blondie und Macy Gray. Bei „Keeping My Baby“ jubilieren die Streicher über einem kräftigen Beat, das Lied wird mit Motown-Kniffen zum Leben erweckt. Richtig weit hinaus führt „Lovestruck“, bei dem Duffy einen Moment lang wie ein moderner R&B-Act klingt.
Wenn man eineinhalb Jahre mit einer balladesken Platte auf Tournee war, möchte man Energie, Dynamik und Abwechslung. In dieser Weise hat Duffy ihr Repertoire erweitert. Und ein kraftvolles, schönes Album gemacht, das unsere Vorstellung vom jungen walisischen Mädchen verändern wird – zu der einer reifen, souveränen Interpretin mit tiefen Wurzeln im Soul.
Es steht die nächste Runde im Fernduell der Retro-Soul-Damen an. Adele hat ihr Album fertig, „21“ wird am 21. Januar 2011 erscheinen – sie und Duffy waren vor zwei Jahren the new Amys. Auch von Winehouse hört man (allerdings schon seit einer Weile), dass sie Songs aufgenommen habe. Nur wann sie diese veröffentlicht, weiß keiner.
Duffy hat gut vorgelegt. Will they beg her for mercy? (Universal) Jörn Schlüter