Emmylou Harris :: All I Intended To Be

Die große Sängerin und Songfinderin hat immer noch Strahlkraft.

Athen braucht keine neuen Eulen und Emmylou Harris bestimmt keine frischen Referenzen. Da stehen ja zwölf Grammys auf der Haben-Seite, rund 25 Soloalben und ungezählte Kollegen, deren Songs sie Glanzlichter gab, zuletzt u.a. Conor Oberst, Elvis Costello, Mark Knopfler und Anne Murray. Trotzdem, es ist eben diese Stimme. Diese pure, kristalline Stimme, die so traumwandlerisch sicher phrasiert, die so unangestrengt ins Falsett gleitet und seit fast 40 Jahren scheinbar Banales und oft Klischeehaftes mühelos mit Wahrhaftigkeit, Zärtlichkeit und Stärke auflädt. Lind die mit ihrem warmen Tremolo seither beispielhaft dafür steht, dass künstlerische Ambition und Nashville kein Widerspruch sein müssen.

Nun also „All I Intended To Be“. Das klingt nach Fazit und selbstbewusster Standortbestimmung. Tatsächlich geht Harris hier nach persönlichen Grenzerweiterungen („WreckingBall“, 1995; „Red Dirt Girl“, 2000) zurück zu den Ursprüngen — und ins Studio von Ex-Ehemann Brian Ahern, der von 1975 bis 1983 elf aufeinander folgende Alben produzierte. Gemeinsam glückt den beiden eine makellose Kollektion eigener und angeeigneter Countryfolk-Nummern. Akustikgitarre, Fiddle, Lapsteele, Banjo, Mandoline, Akkordeon und Drums bilden immer wieder eine lichte, ebenso traditionelle wie geschmackvolle Kulisse, die die 61-Jährige mit fast jugendlicher Strahlkraft, aber auch mit Lebensweisheit und melancholischer Gelassenheit füllt. Und die silberweiße Lady erweist sich erneut als hochrangige Songfinderin und -schreiberin zugleich. Eigene Lieder wie „Take That Ride“ und vor allem ihre kratzige Abschiedshymne „Not Enough“ stehen gleichrangig neben Perlen von Patty Griffin („Moon Song“), Merle Haggard („Kern River“) oder Tracy Chapman („All That You Have Is Your Soul“).

Die emotionalen Highlights sind „How She Could Sing The Wildwood Flower“, eine anrührende Verbeugung vor Genre-Ikone June Carter, und das intensive „Sailing Round The Room“, die jeweiligen Credits teilt sich Emmylou mit Kate und Anna McGarrigle. Vor der nächsten Grammy-Gala muss sie Platz in der Vitrine schaffen.

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