Erdmöbel – Für die nicht wissen wie

So beglückend gelungen das letzte Erdmöbel-AIbum „Altes Gasthaus Love“ auch war, hatte man danach doch ein wenig Angst, wie es weitergehen würde. War mit der neuen Leichtigkeit und textlichen Lakorae auch die alte Sperrigkeit, die den Charme des geheimnisvoll melancholischen „Erste Warte nach Bad mit Delfinen“ ausmachte, flöten?

Wer „Für die nicht wissen wie“ zum ersten Mal hört, wird sich wundern, denn die Erdmöbel haben das Konzept des Vorgängers sogar noch verscharrt und sind doch irgendwie wieder bei sich angekommen. Markus Berges hat seine Texte weiter verknappt, so daß nun die Zeilen manchmal erst durch die prächtig schlanken, federleichten Arrangements in Beziehung zueinander zu treten scheinen, die kauzigen Geschichten, pointierten Beobachtungen und gefühlserotischen Idylle sich im Zwischenraum zwischen Musik und Text entfalten.

Es sind die Beiläufigkeiten des Lebens, die hier von der Grenze der Sprache aus beleuchtet werden: der sonntägliche Spaziergang, eine fast Arno Schmidtsche Szene mit Wein aus Plastikbechern, die Farbe des Meeres vom Balkon aus betrachtet. Dabei tummeln sich die Beobachtungen im Konkret-Ungefähren, fliegen die Assoziationen frei durchs Abstrakte, bevor Berges den Zoom wieder scharf stellt: „Uns trägt der Luftkurort Davos/ Auf Polens Lohnniveau/Wie unsere Schlitten sind wir beide/ Made in Anderswo.“

Unwiderstehliche Popsongs kommen dabei heraus, wie der elektronische Shuffle „Lied über gar nichts“, der Ohrwurm „Russischbrot“ und das elegische „Am Arsch Welt kannst du mich kaputtschlagen“ – sogar Anton Tschechow und Gottfried Keller swingen in den Erdmöbel-Adaptionen ihrer Texte.

Burt Bacharachs „Close To You“ und Henri Mancinis „Nothing To Lose“ feiern eine genußvolle deutschsprachige Erstaufführung. Wie in „Nah bei dir“ in der ersten Strophe die Stimme plötzlich fast ¿wie unter Tränen umkippt, „Sag mir wo kommen all die Tiere her/ Die tun, als ob nichts war“‚, und dann irgendwann staubtrocken die Posaune von Ekimas einsetzt, wie es im pluckernden Bossa Nova „Nichts zu verlieren“ am Ende heißt: „Der Kummer frißt das Glück uns aus der Hand.“ Das sind Momente für die Pop-Ewigkeit.

Man freut sich jedes Mal aufs Neue darauf, zu diesen superkallifragilistischen Songs zurückzukehren. Nicht nur für die, die (noch) nicht wissen, wie man die hiesige Zunge zum Klingen bringen kann, empfiehlt sich: Erdmöbel hören.

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