Fehlfarben – Glücksmaschinen
„Wir leben, wir sind Glücksmaschinen/ Wir sind noch lange nicht ausgeschieden.“ Allerdings! So dringlich klangen die Fehlfarben seit „Monarchie und Alltag“ nicht mehr – der Klassiker feiert in diesem Jahr immerhin sein 30jähriges Jubiläum. Ihren kristallklaren und druckvollen Sound hat die sechsköpfige Band dem Produzenten Moses Schneider zu verdanken, der bereits Tocotronic und den Beatsteaks neue Klangmöglichkeiten eröffnete.
Doch ohne Peter Heins Texte wäre dies nur ein weiteres gelungenes Rockalbum. Der 52-jährige Sänger spricht diesmal mehr denn je über sich und seine ohnehin schon illusionslos angetretene Generation. Man ist älter geworden, der Alltag härter: „Wir haben Angst, aber leider keine Zeit
dafür“, beschreibt er deutsche Wirklichkeit in „Neues Leben“. Es ist deutlich mehr Wut zu hören auf „Glücksinaschinen“, als man es sonst von den Fehlfarben kennt. Die Charaktere treffen sich zwar immer noch am Tresen, doch aus vergnügten Punks und Lebenskünstlern wurden „ausgerauchte, ausgesaugte und ausgeraubte“ Arbeitslose. Wie Hohn wirkt da die Sprache der Wirtschaft, die Hein in „Ausgeraucht“ seinem Szenario gegenüberstellt: „optimieren, sanieren, endlich wieder fremd riskieren“.
Es gibt keine Schuldzuweisungen, nur ein ungutes Gefühl, das schon in besseren Zeiten zu unvergesslichen Zeilen führte: „Was ich haben will, das krieg ich nicht, und was ich haben kann, das gefällt mir nicht.“‚ Natürlich hat das alles etwas mit Ökonomie zu tun. Doch was kann ein nicht mehr ganz so junger Mann dagegen tun, außer in einer Rock’n’Roll-Band zu singen? Wenig. Bei „Im Sommer“ probieren es die Fehlfarben deshalb mit ein wenig Galgenhumor. „Eiscreme, Sonnenöl, Leiden wird wieder schön“ mit seiner eigenwilligen Mischung aus Trotz und Optimismus berichtet Hein vom „Sommer der Transferleistung“: „Der Sommer der wird ausgenutzt, der Sommer, der wird ein Genuss.“ Man möchte es gern glauben.
„Vielleicht Leute 5“ kommentiert die neuen Formen von Freundschaft im Web 2.0. Leidenschaftliche Blogger, Twitterer und Facebooker werden da genervt lächeln, aber so falsch ist Heins Skepsis auch wieder nicht: „Man wusste doch nie, ob man wirklich Freunde hat, erst der Freundezähler hat’s an den Tag gebracht.“ Wir denken an Larry David, lächeln und lassen Hein seine Granteleien.
„Wir warten (ihr habt die Uhr, wir die Zeit)“ ist dafür als Punk-Update ein vor Energie überschäumender Kracher. Das scheppert so lustvoll, roh und angriffslustig wie ein paar St.-Pauli-Fans auf Krawalltour im Hamburger Schanzenviertel. Im folgenden „Respekt?“ setzt die Band dann sogar noch einen drauf und verliert sich in einem hypernervös gelungenen Dub-Funk, während Hein sich noch mal so richtig schön auskotzt. Gründe genug gibt es derzeit ja.